Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Dich und hab Dich wie immer sehr lieb.
Dein Hans.
Leipzig, den 5.2.42
Mein lieber alter Strolch!
Für Deinen sehr lieben und langen Brief vom 2.2. danke ich Dir recht herzlich. Du verstehst es wirklich meisterhaft, Trost und guten Mut zuzusprechen, dies meine ich in Bezug auf Mutter. Aber ich habe Dir schon geschrieben und kann es Dir heute auch nur wieder versichern, daß Mutter wirklich sehr stark und zuversichtlich ist, sodaß Du Dir keine unnötigen Sorgen zu machen brauchst. Auch essen tut Mutter regelmäßig mit uns. Es ist natürlich klar, daß diese ganzen Umstände das Gemüt ein bißchen niederdrücken, ich wehre mich zwar mit aller Macht dagegen, denn seelische Einflüsse beeinflussen ein kommendes Kind stärker als körperliche. Und wir wollen doch beide ein lustiges und lebensfrohes Kind haben. Aus diesem Grund würde ich mich auch vor einer baldigen Entlassung Vaters aus dem Krankenhaus fürchten, Du darfst mich deswegen nicht kalt oder herzlos schimpfen. Eben weil ich dies nicht bin, fürchte ich mich ein bißchen davor. Ich weiß nicht, ob Du mich da verstehen kannst. Vielleicht ist auch die Furcht unbegründet, denn bin ich bis jetzt stark geblieben, werde ich es vielleicht auch in Zukunft sein, und Du hilfst mir ja in Gedanken dabei, kleiner Mann. Sonst geht es mir körperlich gut, nur seit ein paar Tagen habe ich ein unverschämtes Ziehen in den Beinen, so daß ich bald gar nicht laufen und ... kann. Man ist da so kaputt dabei, aber auch das wird bald vorüber sein, und in sieben Wochen habe ich es ja dann glücklich im Geschäft geschafft. Im Geschäft behaupten alle, unser Kind wird einmal ein Rowdy und ein Schrecken von Schleußig. Zum Teil weil ich immer bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit laut und vernehmlich rülpse. Am Dienstag war ich bei Bambergs spielen. ¼ 9 Uhr war ich dort, Ilse saß natürlich noch an der Nähmaschine und es wurde glücklich 9 Uhr, ehe wir zum Anfang kamen. Es war diesmal derartig langweilig und langsam (der alte Graichen spielte mit), daß, nachdem ich erst die beste war, ich mich schließlich opferte und zuerst auf der 500 war, nur damit endlich Schluß war. Naumanns Max war auch da und muß Max am Montag einrücken. Er kommt zur motorisierten Infanterie und muß sich in der Heerstraße melden. Arthurs Neffe, der Fritz, muß gleichfalls am Montag fort. Er kommt mit seinen 17 Jahren zur Kaffallerie (ist das richtig geschrieben?) Dem werden wahrscheinlich seine zwölf Jahre noch schwer zu schaffen machen, die er bei den Soldaten bleiben will. Am Mittwoch war ich mal wieder bei Lisa draußen. Habe schwer Strümpfe gestopft, es hat sich aber wieder ein tüchtiger Stapel angehäuft. Gestern haben Kunads uns nun noch Kohlen geschickt. Am Nachmittag bin ich mit Grete in den Keller und haben wir beide gebuddelt wie die Maulwürfe. Im Gesicht wie die Feuerrüpel, Du hättest Dich krank gelacht, wenn Du uns gesehen hättest. Als wir fertig waren konnten wir nicht mal oben rein, da Mutter einholen war. So hausten wir wie die Kohlenbrenner vor der Tür.
Heute war ich bei Schneider Wasserwelle legen. Habe jetzt wieder eine Olympiarolle, aber rundrum, dann haben wir zu dritt schön Abendbrot gegessen und Tee getrunken und jetzt, es ist aber bald wieder ½ 10 Uhr, sitze ich und schreibe Dir noch ein bissel. Übrigens hatte ich am Montag von der Bezugsscheinstelle eine Karte bekommen, ich solle hinkommen. Dienstag bin ich dann auch gleich losgesockt. Es war natürlich mal wieder Sperrtag. Nach langer Zeit wurde ich aber schließlich eingelassen. Jedenfalls waren wir genauso weit wie im November vorigen Jahres. Ich sollte eben meinen Mantel abgeben. Ich konnte mich nicht mehr halten und habe ihnen ziemlich deutlich meine Meinung gesagt. Ich bekam eine Mahnung, ich solle nicht frech werden und nicht drohen (ich hatte ... gesagt, daß ich sofort wieder aufs Hauptwirtschaftsamt gehen würde). Er verhandelte schließlich mit dem Vorstand und dann noch telefonisch mit der Nonnmühlgasse. Endergebnis: Ich bekomme einen Bezugsschein über einen weiten Wintermantel. Trotzdem kostet es mich immer noch 25 Punkte. Man muß sich so ziemlich viel gefallen lassen, und ich glaube wenn man frech ist, erreicht man mehr als wenn man anständig bleibt. Leider! Kleiner Mann, mich drückt jetzt mein Bauch und Du wirst daher nicht böse sein wenn ich so langsam Schluß mache. Am Sonntagabend schreibe ich Dir wieder. Morgen kommt Fritz mal wieder zu Besuch. Hoffentlich bringt
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