Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
los, obwohl sie noch keine Kohlen haben, denn es wird schriftlich jedem Gefolgschaftsmitglied ans Herz gelegt sich recht warm anzuziehen. Auch fangen wir wegen Lichtersparnis jetzt erst ½ 9 Uhr an. An für sich paßt mir das nicht besonders, so schön wie es ist, wenn man nicht gar so zeitig aufstehen muß, auf der anderen Seite geht aber dafür die Arbeitszeit bis 6 Uhr abends, so daß der Tag vollkommen erledigt ist. Na, meine paar Wochen vergehen auch noch, und Grete geht vorläufig noch nicht ins Geschäft. Am Donnerstag habe ich mit Ilse und Fränze Rommé gespielt, und dabei mal wieder zwei Mark für uns gespart. Ich glaube, wenn beim Spielen einer von Euch Männern dabei gewesen wäre, der wär aus den Pantoffeln gekippt. Fränze hatte am Tage zuvor Geburtstag und habe ich ihr ein kleines Blumentöpfchen mitgenommen und dafür ein bißchen prima Kuchen geerbt. Am Freitag habe ich mit Grete sauber gemacht, unsere Schlafstube umgeräumt, die Betten vor lang vor das Fenster gestellt, und vor die Tür mit dem Vorhang, gerade gegenüber dem Schrank steht nun das Kinderbettchen. Im Sommer mag das ja so gehen, aber im Winter kann man kein Kind in diese Kälte legen, und im Wohnzimmer ist es zu warm und die Luft auch dann zu schlecht. Also streng mal Dein Köpfchen ein bißchen mit an, wie man das machen könnte! Übrigens scheint Ilse eventuell auch ein Baby zu bekommen, es sieht nur nicht so aus, als ob sie besonders beglückt darüber wäre. Diese Woche bin ich mit Grete schon am Freitag gegen Abend baden gegangen. Mutter am Sonnabend, wo wir dann am Nachmittag zu Fräulein Fu eingeladen waren. Es war ein Besuch mit vielen Hindernissen. Zuerst haben wir geschlagene dreiviertel Stunde auf die 5 gewartet, mit der wir aber auch fahren mußten, weil Mutti an der Albertstraße warten wollte. Als dann die 5 glücklich kam, blieben wir kurz vorm Palmengarten plötzlich stehen und mußten warten, bis eine 8 kam, die uns bis in die Marschnerstraße rein schob und dann stehen blieb, bis eine zweite 5 kam, die uns vor sich her schob bis zum Gewandhaus, dort hatten wir es satt, und sind bis zur Albertstraße hochgerannt, wo Mutti natürlich noch da stand. Somit haben wir von uns bis zur Albertstraße eine Zeit von genau eineinhalb Stunden gebraucht. Eine 28 fuhr uns dann wieder genau vor der Nase weg, die nächste 10 war voll, so daß wir dann erst mit der zweiten 28 fahren konnten. Grete sagte, es sieht so aus, als ob es nicht sein sollte, daß wir rausfahren, und ich hatte es satt, daß ich wieder hätte wieder heimgehen können. Kaum hatten wir uns dann bei Fräulein Fu ausgezogen, als es klingelte und Gretes Schwägerin auftauchte, die ihr einen Brief von der Kompanie ihres Mannes brachte. Ihr Mann ist am 6. Februar durch einen Kopfschuß in Rußland gefallen. Sie tut mir furchtbar leid, und muß nun noch Vorwürfe über sich ergehen lassen, als ob sie an dem Tod ihres Mannes schuld ist, von Seiten der Schwiegereltern. Sie ist da nun gleich mit ihrer Schwägerin weg, und waren wir somit nur noch zu dritt vor einem riesenhaften Kuchen und ... Schlagsahne. ½ 10 Uhr sind Mutti und ich auch wieder weg und war es auf der Straße lebensgefährlich. Am Tag hatte es getaut, und abends gefroren, so daß die reinste Eisbahn war. Ich bin gelaufen wie auf lauter rohen Eiern, denn ich kann es mir jetzt nicht leisten hinzufallen. Grete kam ½ 12 Uhr wieder nach Hause, und haben wir beide in dieser Nacht nicht viel geschlafen. Für heute früh hatten wir Karten fürs Capitol ‘Im Zauber der Alpen’. Ich habe da nun für die zweite Karte Papa mitgeschleppt. Zu Mittag gab es dann bei uns Deine Lieblingsspeise: Klops mit grünen Bohnen, und ich habe dann hinterher für jeden eine Tasse guten holländischen Kaffee spendiert. Jetzt ist Grete wieder nach Lindenau, Vater und Mutter spielen Karten drüben, und ich schreibe hier in aller Ruhe an Dich. Hast Du eigentlich den Brief mit dem Bindfaden und die zwei Briefe mit je einer Schachtel Zigaretten bekommen? Warum bekommt Ihr denn dort keine mehr? Hier ist dies jetzt ganz knapp, ich bekomme noch sechs Stück in der Woche und da muß man noch ein paar mal danach laufen. Gestern kam auch ein Brief von Frau Ziemer, über den ich mich sehr gefreut habe. Sie hat außer Haferflocken für Vater für mich Grieß, Mehl, Migetti, ein halbes Pfund Butter, Vitam B als Brotaufstrich, zwei Pakete Traubenzucker. ein Viertel Kakao, ein halbes Pfund Sultaninen, viermal Pudding und ein halbes Pfund Makkaroni
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