Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
200 Meter Entfernung kommen hört. Kostet mit Matratze 74 M. Heute bin ich nun mal wieder auf der Bezugsscheinstelle gewesen. Hätte am liebsten dabei geheult. Unheimlich voll und dabei eine Affenhitze, daß mir schlecht wurde und ich raus mußte. Heute steht in der Zeitung, daß man jetzt mit Kohlen sparen müsse und da drinnen herrscht eine Temperatur von über 26˚. Habe Bett-inlett, Bettzeug und Roßhaarkissen beantragt. Eine Wolldecke bekomme ich nicht, weil ich Bettzeug bekomme. Am Dienstag früh war ich auch bei Frau Dr. Weise, als ich ins Sprechzimmer um 10 Uhr kam, hätte ich mich bald hingelegt, so voll war es. Normalerweise hätte ich bis zum Spätnachmittag sitzen können, aber Frau Doktor hat mich gleich am Anfang drangenommen, und ich kann Dir gar nicht sagen, wie froh ich da war. Am Dienstag war mein letzter Ferientag und am Mittwoch sind meine letzten sechs Wochen losgegangen. Ich fürchte mich davor, kleiner Mann. 14 Tage vor der Entbindung soll ich nochmal zur Ärztin kommen. Habe das dann gleich am Dienstag auf der Kasse gemeldet und habe da auch ein großes Verbandspäckchen für die Hebamme bekommen. Meine Säuglingswäsche von der Wertfürsorge kann ich heute in acht Tagen holen. Und dann muß ich mich tüchtig tummeln, daß ich alles fertig mache. Nächste Woche will Öhmisch die Matratze bringen und dann habe ich so ungefähr alles im Haus, nur der Kinderwagen steht noch in der Nürnberger, denn allein fahre ich ihn nun nicht raus, das sieht mir zu dumm aus, da warte ich bis Grete wieder da ist, da holen wir ihn mal zusammen abends raus.
Und nun, kleiner Mann, möchte ich gerne mal wissen, was eigentlich los ist mit Dir. Ich frage dies nicht etwa, weil ich nun wieder über acht Tage keine Post von Dir hatte, denn die Zwischenräume zwischen Deinen Briefen sind in letzter Zeit immer so groß. Aber auch sonst vermisse ich in Deinen Briefen ein gewisses Etwas. Früher sind sie jedenfalls anders gewesen. Ich habe ein bestimmtes Gefühl, als ob ich Dir ein kleines bissel gleichgültiger geworden bin. Ich weiß, Du wirst bestimmt protestieren, aber wenn Du ehrlich mal zu Dir selber sein willst, so wirst Du Dir das wohl zugeben müssen. Du sollst Dich nun auch nicht zwingen, das mag ich nicht. Der Wunsch zum Schreiben und sich dem anderen mitzuteilen, muß aber aus dem Herzen kommen, sonst soll man wirklich lieber die Finger davon lassen. Ich weiß, es gibt manchmal Tage, an denen man absolut nicht in der Stimmung ist zum Schreiben, aber an anderen wiederum zwingt es einen direkt dazu.
Wann kommt denn nun der Kamerad den Kuchen abholen? Bis Ende nächster Woche kann ich ihn liegenlassen, aber nachher kann ich es nicht mehr wagen, sonst wird er zu hart. Ist mit dem Urlaub von dem Kameraden nichts geworden, oder seid Ihr nicht mehr zusammen? Diese Woche haben wir auch Dividende bekommen. Ich habe in diesem Jahr 5o M bekommen. Da ich aber in diesem Jahr nicht verreisen kann, werde ich ganz eisern sparen und noch in diesem Jahr garantiert eine Küche kaufen, denn nun, wo ich zu Hause bin, geht das so ja nicht mehr weiter. Unsere Schlafstube ist ja Raum für alles. Schlafraum, Vorratsraum, Abstellraum, alles in allem. Wenn Du das nächste Mal auf Urlaub kommst, müssen wir auch mal wirklich ernstlich die Raumfrage besprechen, und rausgeschoben ist ja nicht aufgehoben.
Heute Nachmittag war ich mit Mutter mal bei Schramms. Tante Anna heulte und wollte sich eine Kugel durch den Kopf schießen, weil sie keine Kohlen mehr haben und nicht feuern können. Wir haben ja auch nichts mehr im Keller, man muß sich eben warm anziehen.
Für heute will ich nun mal wieder schließen. Wegschicken werde ich den Brief erst, wenn ich evtl. eine neue Anschrift von Dir habe. Bleib recht hübsch gesund und behalt noch ein kleines bißchen lieb
Deine kleine Lenifrau.
Leipzig, den 12.4. 42
Mein lieber alter Strolch!
Nun habe ich von Dir mal wieder gleich zwei Briefe hintereinander bekommen. Am Sonnabend Deinen Brief zu Ostern geschrieben, und heute kam mal wieder ein Sonntagsbrief aus Rotterdam, den ich gleich noch im Bett gelesen habe. Für alle beide danke ich Dir recht herzlich. Besonders Dein Osterbrief war sehr sehr schön, nicht nur wegen der Länge, auch so, ein Brief über den man unbedingt Freude empfinden mußte. Also nochmals schönen Dank. Wenn Du wieder da bist, bekommst Du einen extra schönen Kuß dafür. Einverstanden? Hast Du meinen letzten Brief erhalten? Und warst Du recht böse darüber?
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