Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
lange ruhen lassen. Heute Nachmittag war ich Zigaretten holen und in der Nürnberger. Als ich reinkam, weinte Mutti sehr, sie meint, sie dürfe gar nicht daran denken, daß Ullrich bald wegfährt, sie haben sich eben zu sehr an den kleinen Kerl gewöhnt. Und man kann das ja auch sehr gut verstehen, aber als sie dann anfing, sie fühle, daß sie bald sterben müsse, habe ich sie tüchtig aus den Lumpen geschüttelt. Es hat eben jeder sein Teil zu tragen, und wird schon dafür gesorgt, daß es keinem zu wohl wird. Heute Morgen hat auch Grete geschrieben, es ist aber bis jetzt noch nichts Neues im Lande, Du weißt schon, was ich meine, ja? Beide wollen mal nach Leipzig kommen, ihr Otto und sie. Wahrscheinlich kommen nun auch am Sonnabend oder Sonntag Erika und Heinz, und acht Tage später geht es dann endgültig ab. Du, heute hat Heidi wieder ein idyllisches Häufchen ins Töpfchen gesetzt, selbstverständlich auch ein ... Pfützchen dazu. Du, vielleicht ist es Dir möglich, mal einen Nuppel zu besorgen, Du kennst ja ihren Zulp, mit Scheibe und Ring, denn der jetzt zerfällt schon immer in drei Teile. Vorhin habe ich meine phantastische Wurstsuppe mit Nudeln gegessen. Vor acht Tagen gab es das ja bei uns auch. Kannst Du Dich besinnen, und wir beide waren erschreckend nüchtern. Aber schön und gemütlich war es doch. Du, überhaupt, in der Münchner kriegen sie sich nun doch noch. Wenn wir die Zeitungen gelesen haben, werde ich sie Dir hinschicken, ja?
Was gab es nun bei Euch Neues? Ist viel passiert? Und hast Du was wegen dem Lehrgang gehört? Was macht denn der Magen von eurem Alten? Ist die Sauferei nun immer noch so groß? Na, in Deinem nächsten Brief wirst Du mir ja alles erzählen, ja? Für heute will ich nun aufhören mit schwafeln, am Sonntag werde ich wieder schreiben. Hoffentlich ist am Sonntagmorgen Dein Brief da, auf den ich so sehnsüchtig warte.
Dir nun kleiner Mann , 1000 liebe Grüße und einen schönen Süßen auch von Deinem kleinen Stromer
Deine kleine Lenifrau,
die Dir beide eine recht gute Nacht wünschen und auf dem guten Kissen einen recht schönen Traum.
Hast Du denn viel Post erhalten, und vor allem, hat die andere auch geschrieben? Wenn Du es mit lesen nicht schaffst, ich helfe Dir gern.
O.U., den 17.1. 1943
Meine liebe kleine Lenifrau!
So, jetzt will ich den Sonntag mit einem Brief an Dich beschliessen; es ist jetzt
7 Uhr und wirst Du wohl nun Heidi zu Bett bringen und kann ich mir lebhaft vorstellen, wie sie auf dem Bauch rumstrampelt. Nun aber erst mal recht vielen Dank für Deine Karte vom 13., die diesmal wieder vier Tage brauchte, um mich zu erreichen. Ganz besonders habe ich mich aber über den lieben Brief gefreut, der heute Nachmittag hier eintraf und den ich schon mehrmals gelesen habe. Meinen ersten Brief von hier mit den Postkarten aus Maastricht hast Du wohl erhalten, es war ein richtiger Jammerbrief und werde ich mich nicht wieder so gehen lassen, aber Du kannst es glauben, dass man immer wieder mit schwerem Herzen von zu Hause wegfährt. Über die Fahrt hierher brauche ich ja nun nichts mehr zu schreiben, eingewöhnt habe ich mich noch nicht, aber ab morgen geht das nicht mehr so weiter, denn produktiv habe ich in den vier Tagen nicht viel geleistet und vieles liegen lassen. Da hast Du Dich ja ganz anders in die Arbeit gestürzt und muß ich mir da ein Beispiel an Dir nehmen, aber übertreibe es nur nicht und wenn ich Dich bitten darf, dann gönne Dir nur früh 20 Minuten zum ruhigen Kaffeetrinken. Und warst Du nun bei Ilse, sieh nur zu, dass Du öfter mit ihr und Fränze zusammenkommst und auch öfter mal ins Kino geht. Über die Tennisinteressen hinweg werdet Ihr sicherlich noch viele Interessengemeinschaften finden. Dass Du so energisch die Zeit mit einem Tritt beschleunigen willst, ist lieb von Dir und wird die Zeit bis zum Februar auch vergehen und pass auf, wir haben Glück und ich komme nach Halle. Auf der Fahrt hierher habe ich nun immer an Euch gedacht und haben sich unsere Gedanken des öfteren gekreuzt, aber zuletzt hatte ich alles satt, was mit Krieg und Dienst zusammenhing, bloss es nützt eben alles nicht und muss man sich eben darein schicken, denn über die ewig Grübelei, warum und wieso, geht man bloss kaputt und ändern kann man es doch nicht. Jedenfalls bin ich dankbar, dass ich Dich und Heidi habe und dass unsere beiden Eltern, und das hoffentlich noch recht lange, noch bei uns sind. Ich hab Dich doch immer schrecklich lieb und fühle
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