Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
bilden wir von der Nachtjagd den vierten Zug mit zehn Mann, die aus Holland, Frankreich, Dänemark, Sizilien und Russland beschickt waren. Aus Holland sind wir drei und kommt davon einer aus Medemblick, den ich kenne, und der andere stammt von der Insel, wo ich im Januar hinfahren wollte. Nachdem die Formalitäten erledigt waren, bin ich mit dem Medemblicker in die Stadt, um was Warmes zu essen, aber das war unmöglich, und ist das Volk hier noch sturer und dreckiger als die Holländer. Schliesslich haben wir im Hotel ‘Zum Rössl’ einen Kaffee erwischt und haben mir Deine Brote gute Dienste geleistet. Man merkt schon hier, dass es dem Osten zugeht, denn Dreck und Schlamperei ist hier an der Tagesordnung. Gegen 1 Uhr waren wir wieder in der Kaserne und da ich hundemüde war, hab ich mich hingelegt und wurde gegen 4 Uhr unsanft geweckt von einem Schreiber aus dem Geschäftszimmer. Unterdessen war nämlich mehrmals rausgepfiffen worden, ohne dass ich davon was gehört hätte. Der Spiess war mächtig in Fahrt, er meinte, ich hätte mich gedrückt, und hab ich ihm nun von der Fahrerei und meinen Magenschmerzen erzählt, na, da hat er sich endlich beruhigt. Wir sind dann nochmals umgezogen und liegen nun zu zwölf Mann in einem Verlies im ersten Stock und sind drei Unteroffiziere und sieben Oberschnäpser, scheinen allesamt patente Kerle zu sein. Die Bude bekommt langsam auch ein wohnliches Aussehen, so dass man die Zeit hier überstehen kann. Aber die ewige Pfeiferei ist wirklich zum Kotzen, aller fünf Minuten ist was los, und dabei geht erst morgen der richtige Dienst los. Heute früh um ¾ 7 Uhr wecken, ¼ 8 Uhr Revier reinigen, 10 vor 8 Uhr Parole, bis 11 Uhr Stuben reinigen, 12 Uhr Mittagessen, war nicht berühmt. aber zum satt werden. Jetzt warten wir bis 17 Uhr, da ist Stubendurchgang und heute Abend soll Dienst sein in Gestalt von Wehrbetreuung und zwar Kino. Heute hat sich auch unser Zugführer vorgestellt, ein Feldwebel vom fliegenden Personal und scheint gar nicht übel zu sein. Der Lehrgang geht bis 1.5. 42 und ist damit zu rechnen, dass wir hier schon in Kürze wieder umsiedeln und nach Erfurt verlegt werden, das wäre für den Sonntagsurlaub mehr als herrlich. Hier fehlt es nämlich an Lehrkräften und kommen auch keine her. Die Unterrichtsthemen sind vielfach ganz neues Gebiet für mich, u.a. muss ich auch noch funken lernen. Ungefähr drei Stunden täglich Verwaltungskunde und vier Stunden Gerätelehre. Morgen ist drei Stunden Aufnahmeprüfung und ich glaube, in 14 Tagen eine Zwischenprüfung, also kann es schon sein, dass man da eher wieder wegkommt, als man denkt. Ich habe zwar keine Angst davor, aber man weiss nicht, was für Anforderungen technischer Art man bei den Prüfungen hier stellt. Von der Umgebung habe ich nun auf der Fahrt nicht viel zu sehen bekommen. ‘Die goldene Stadt’ lag noch im Dunkeln, hier um Wittingau, früher Trebon, gibt es grosse Seen und sollen die Karpfen daraus berühmt sein. Als wir ankamen, schneite es, und jetzt ist alles gefroren und sehr kalte Witterung. Der Ort ist sehr dreckig, hat aber schöne alte Bauten, es wird sich schon noch Gelegenheit ergeben, überall mal rumzuschnüffeln. Zu kaufen gibt es nichts, aber ein prima Bad und Kino soll im Ort sein. Zapfenstreich ist für uns Schüler 10 Uhr, Mittwoch und Sonnabend 12 Uhr. Einmal im Monat kann man Sonntagsurlaub beantragen und schreibe ich Dir später, wie wir es machen wollen, denn ich hoffe doch, dass es mit der Verlegung nach Erfurt klappt.
So, kleine Frau, das war nun alles, was ich für heute von hier zu schreiben hätte. Die zwei Tage waren für mich wieder wunderschön und zehre ich bestimmt die zwölf Wochen davon und hoffe ich nur, dass Du trotz der vielen Arbeit, die Du durch mich hattest, auch auf Deine Kosten gekommen bist. Ihr steckt ja nun in der Arbeit mittendrin und hoffentlich ist das Wetter so, dass Ihr auf dem Hof trocknen könnt. Meine Wäsche schickt mir bitte erst dann, wenn ich deshalb schreibe. Wie seid Ihr denn nach Hause gekommen und bist Du gleich ins Bett gegangen? Hat Dich unser kleiner Strolch schlafen lassen und ist er noch so mobil? Ich freue mich schon jetzt, dass wir uns auf der Rückfahrt noch einmal sehen und hoffentlich zwei volle Tage. Heute lege ich Dir 20.- Mark bei und sind 10.- Mark für Heidi und 10.- Mark für Dich, denn es ist Unsinn, dass ich das Geld noch hier behalte.
Hoffentlich findest Du trotz der Wäsche Zeit, mir bald zu schreiben und bis dahin Dir recht
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