Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
unsere Stube wieder nett aussehen. Weil Du gerade vom Heizen schreibst, haben wir denn von Martin noch Kohle bekommen? Und Holz wollte er uns auch noch besorgen. Hier sind die Nächte jetzt auch recht kalt; trotz zwei Decken und dem Mantel friere ich manchmal hundsmässig. Aus der Nürnberger traf am Sonnabend ein lieber Brief ein. Ebenfalls Mutters Karte und von Seydels ein Brief mit Zigaretten. Du leichtsinniges Huhn, wie kannst Du es wagen ohne meine Zustimmung 75 Pfennige auszugeben? Aber ich habe mich heute revanchiert und heute abend in der Stadt für M 1,75 und 50 Gramm Fleisch und 10 Gramm Fett Schweinebraten mit Salzkartoffeln und Gemüse und ein Helles verdrückt. Also hast Du noch 1.– Mark gut.
Ich drücke morgen mächtig die Daumen, damit ihr beim Aufhängen Glück mit dem Wetter habt. Auf Deinen nächsten Brief bin ich sehr gespannt, denn mein schlechtes Gewissen, dass Du meinen langen Brief evtl. erst am Freitag bekommen hast, hat sich noch nicht beruhigt. Mit dem Strümpfe stopfen lassen ist es nun ja auch vorbei. Aber ich reisse meine Löcher immer so gross, dass ich die Strümpfe auf der Kaserne umtauschen kann. Hintsch liegt jetzt in einem anderen Stock und kommen wir selten zusammen, aber er gibt immer noch gross an. Was ich für die Nährmittel ausgegeben habe, weiss ich auch nicht genau und ist auch von bezahlen keine Rede. Leider klappt es nun vorläufig nicht mehr mit dem Bohnenkaffee, leider, denn ich hätte ihn dann gern mit nach Hause gebracht. Die Backwaren hoffe ich doch stark zu bekommen, versprochen wurden sie mir. So, kleiner Hase, jetzt ist es 24 Uhr und für heute will ich Schluss machen, aber morgen schreibe ich den Brief fertig, damit Du ihn am Mittwoch hast. –
Jetzt habe ich bis zum Mittag noch etwas Zeit und nach dem Essen schreibe ich gleich weiter. Deinen Brief hatte ich ja fertig beantwortet, sodass ich nun etwas von mir schreiben kann. Was man mit uns vorhat, ist überhaupt noch nicht geklärt und trotzdem liegen wir in Marschbereitschaft. Vorläufig machen wir einen ganz ruhigen Kasernendienst mit exerzieren und Unterricht. Am Sonnabend war ich schon ½ 13 Uhr fertig und das kam so. Eigentlich hatte ich von Sonnabend zu Sonntag U.v.D.3), kam aber überraschend schon am Freitag zu Sonnabend dran, und hätte an diesem Tage um ½ 16 Uhr wieder mit Dienst machen müssen. Da aber 16 Uhr offizieller Dienstschluss war, habe ich vom Spiess ab Mittag schon frei bekommen. Vom Essen weg bin ich gleich zum Bad gegangen und dann habe ich auf unserer Bude bei Denzius bis 5 Uhr geschlafen. Abends war ich mit Rank eingeladen und habe sehr gut gespeist. Kartoffelsalat, drei Spiegeleier und prima Butter und Wurst. Dann haben wir Rommé gespielt und sind gegen ½ 11 Uhr nach der Kaserne raus. Gestern Nachmittag waren wir bei der Frau Franke zum Kaffee (Bohne) eingeladen. Mittags erfuhr Rank, dass er plötzlich zu einer dienstlichen Beerdigung nach Plauen fahren musste. Ich bin dann allein in die Stadt und haben wir nach dem prima Kaffeetrinken mit gutem Kuchen mit Frau Franke, Frau Zimmer, der Reformtante und Frau Frankes Sohn wieder Rommé gespielt. Um 7 Uhr bin ich dann im Sichen Abendessen gegangen und um 8 Uhr war ich im Kino beim ‘Gasmann’. Ich finde Rühmann wird immer schwächer in seinen Leistungen, aber ich habe doch etwas für ihn übrig. – Jetzt war ich essen: Pellkartoffeln, Lungenhaschee und als Nachspeise Kürbis. Also viel Lärm um nichts. Draussen regnet es seit heute früh ununterbrochen, so dass es gut ist, dass wir nur Unterricht noch haben. Kleiner Strolch, Deine helle Freude hättest Du an mir, wenn Du mich mal beim Unterricht sehen könntest, wie schön ich da schlafen kann. Nun wartet man wieder auf den Feierabend, damit man die gastlichen Räume hier verlassen kann. Heute abend gehe ich bis ½ 10 Uhr zur Reformtante Marken kleben; ich brauche doch wieder was Marmelade und dann geht’s wieder hier heraus. Am Donnerstag ist Schiessen angesetzt, wieder mal eine Abwechslung. Meine Zither habe ich am Sonnabend versandfertig in eine Kiste verpackt. Schicke sie aber noch nicht weg, ehe ich nicht weiss, wohin man uns steckt.
So, nun habe ich ein langes und breites von mir erzählt, kleiner Strolch, und habe mich noch nicht ein einziges Mal nach Deinem Befinden erkundigt. Hoffentlich geht es Dir besser und ist Dir nicht zu kotzerig mehr zu Mute. Nun ist es noch eine Woche, gehst Du dann zum Arzt und schreibst Du mir dann gleich? Oder ist es inzwischen schon anders
Weitere Kostenlose Bücher