Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
ändern und dann ist ja auf alle Fälle Halbzeit und man kann nun wenigstens die Tage zählen, denn länger als bis zum 20.12. bleiben wir doch nicht. Vielleicht kann ich dann schon von hier aus in den Urlaub fahren. Was natürlich weniger schön ist, dass nun meine Zeugnisabschriften, die Du wahrscheinlich noch unter der Feldpostnummer 16352 geschickt hast und rollt nun diese ganze Post nach Italien, denn dorthin ist die vorige Batterie gekommen. Schreib mir doch mal darüber, damit ich mich entscheiden kann, was ich in dieser Sache noch unternehme. Dann wollte ich mal bei Dir ganz bescheiden anfragen, ob Du mir ein paar Zigaretten schicken kannst, denn hier ist es mehr als mies und von der Batterie bekommen wir pro Tag zwei Stück. Schicke sie, d.h. wenn Du welche hast, an meine neue Feldpostnummer 19119 (J) Lg.P.A.—Berlin. Schicke aber nichts anderes dazu, denn das hat Zeit bis ich nach Hause komme. Höchstens was zu lesen an Illustrierten. Kernseife habe ich ein kleines Stück bekommen und warme Wäsche kommt zu Weihnachten auch noch zurecht.
Hast Du denn meine Karte aus Velten bekommen? Das war auch so ein verunglückter Ausflug wie seinerzeit nach Oranienburg. Zweck dieses Ausfluges war, unsere restliche Post in Velten für unseren Lehrgang abzuholen, die aber schon am gleichen Vormittag gen Süden weiter expediert war. Da ich noch Zeit hatte, wollte ich mal ein Stückchen Kuchen essen, aber weder in der Konditorei noch beim Bäcker gab es Kuchen, nicht einmal Semmeln gab es zu kaufen. Um 6 Uhr sollte ich mit dem LKW abgeholt werden und ¼ 8 Uhr kam das Vehikel glücklich an. Dann hatten wir beinahe die Aussicht, noch zwölf Kilometer laufen zu dürfen, denn der Kasten blieb hinter Velten plötzlich stehen und erst nach 20 Minuten ging es weiter, so dass ich hier in Hohenbruch glücklich ½ 9 Uhr verfroren und halb verhungert landete. Der Dienst geht immer noch in der gleichen Weise, nur unverschämt kalt ist es wieder geworden, so dass man froh ist, wenn der wenige Aussendienst überstanden ist und man wieder in die warme Bude kriechen kann. Sonst ist alles genau wie erst, dreckig und ungemütlich, aber der Mensch gewöhnt sich an alles, aber eins weiss ich, dass ich nie wieder vorneweg meine Klamotten packe; Das mache ich in Zukunft höchstens eine Stunde vor dem Abmarsch, denn in der letzten Zeit hat man uns zu oft auf den Besen geladen. Heute war ein Divisionskommandeur der Flak hier und hatte der überhaupt keine Ahnung davon, dass wir hier einen Lehrgang der Nachrichtenleute haben. Ja, Organisation ist eben alles bei den Preussen. Heute ist nun schon so gut wie Wochenende, denn morgen früh ist eine Stunde Batteriebelehrung, die wir mitmachen und dann eineinhalb Stunde Dienst in der Stellung. Dann ist grosses Revierreinigen und damit ist Schluss für uns, denn dabei haben wir ja nichts zu tun. Mittag will ich mich, so gut es geht, in einem Blechnapf waschen und dann beginnt das Wochenende, welches aus vielem Schlafen besteht. Ich habe nun grosse Angst, dass ich morgen und übermorgen keine Post von Dir bekomme, oder hast Du mir inzwischen geschrieben? Wie geht es Dir gesundheitlich? Darüber berichtest Du hoffentlich bald mal wieder. Ist sonst alles in Ordnung und gibt es irgendwas neues? Rank ist nun etwas näher an Berlin rangekommen und hat bis zur S-Bahn nur noch drei Kilometer zu laufen, das ist doch ein wesentlicher kultureller Fortschritt. Sonst wüsste ich weiter nichts zu schreiben. Bleib recht gesund und denk mal an mich. Recht viele Grüsse und Küsse
Dein Dichliebender Hans.
L 19119 (J) Lg.P.A. Berlin
Leipzig, vermutlich Ende November
Lieber alter Strolch!
Ich habe heute solche große Sehnsucht nach Dir, daß ich Dir noch ein paar Zeilen schreiben muß. Dir müssen doch heute den ganzen Tag die Ohren gesummt haben. Ich kann es manchmal kaum erwarte, bis Dein Urlaub da ist, zumindest habe ich genau so große Sehnsucht wie Du. Hast Du unsere Gänsebratenkarte schon erhalten? Da ist man hinterher so faul und phlegmatisch, man ist eben so was Gutes gar nicht mehr gewöhnt. Schneider Fritz, der erst mit der letzten Straßenbahn fährt, ... im Sessel und schläft, soweit das bei Frau Kolbe, dem Störenfried, möglich ist, nicht mal schreiben läßt sie mich.
Die Papiere schafft Mutter nun morgen nach der Planitzstraße, damit sie durch die Wehrmacht sicher befördert werden. Nun habt Ihr es ja auch bald geschafft, noch diese eine Woche und Ihr seid wieder erlöst, und diese wird
Weitere Kostenlose Bücher