Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
kennengelernt. Auch für Dich, mein alter Kerl, ist das ein schwerer Schlag. Da hattest Du nun endlich mal wieder einen Menschen gefunden, dem Du Dich näher angeschlossen hast, und mußt ihn auf diese Art und Weise wieder verlieren. Bring ihm nur mal paar Blumen auf sein Grab, denn sonst wird das wohl niemand tun, und der Frau wird das ein Trost sein, daß er nicht gar so arm dort draußen liegt. Bleibe Du uns erhalten, kleiner Mann, denn Heidi und ich und auch Mutter natürlich müssen Dich doch wiederhaben, und sollen alle die bösen Jahre hinter uns vergessen sein. Daß Du für Heidi eine neue Puppe erstanden hast, freut mich sehr fürs Kerlchen. Hat sie gleich außer dem Schlitten noch was zu Weihnachten. An ihrer alten fängt jetzt an der Kopf oben zu spalten, und habe ich der Puppe schon rundrum einen Leukoplaststreifen geklebt. Da wird ja die Freude groß sein. Wollen wir nur die Daumen halten, daß sie ankommt. Was ist denn in den anderen zwei Päckchen? Die Drops werde ich, falls welche drin sind, ebenfalls für Weihnachten aufheben. Uns geht es noch gut, und sind alle auf dem Posten und brauchst Du Dir keine Sorge um uns zu machen. Seitdem Heidi ihre Wurmkur hinter sich hat, folgt sie und ist brav, und ißt auch sehr ordentlich. Mutti und Papa sind augenblicklich in Oschatz, wollen aber morgen wiederkommen. Sonst hatten wir jetzt Ruhe hier. Am Sonnabend haben die Flieger, außer Böhlen und Leuna, auch in Wurzen und Dresden was fallen gelassen. Aber in letzteren nur in dem Ausmaß wie vielleicht bei uns am 20. Oktober. Letzte Nacht um ¾ 4 Uhr mußten wir auch wieder mal raus und hat man vor dieser dummen Zeit allerhand Respekt. Heidi wurde auch gleich beim Alarm munter und rief: “Mutti, Mutti (Du solltest da bloß mal ihr durchdringendes Organ hören), Alarm.” ½ 5 Uhr konnten wir wieder ins Bett gehen. Auch jetzt sind sie im Anflug auf Raum Hannover Braunschweig, aber ich glaube es wird nichts. Am Montag waren Lisa und Lotte mal wieder haußen bei uns, und haben wir gemütlich beisammen gesessen. Von allen beiden soll ich Dich recht herzlich grüßen. Lisa hat mir schon mein Weihnachtsgeschenk mitgebracht, und zwar einen schönen elektrischen Kocher, und habe ich mich darüber sehr gefreut. Am Dienstag habe ich für Frau Kürbis mit sechs Zentner Kartoffeln geholt, denn es geht ihr immer noch nicht besser. Am Mittwoch Nachmittag war ich nun das erste Mal seit Saaz mit Erika und Lisa im U.T. Hainstraße. ‘Die Affäre Rödern’. Mir hat es wunderbar gefallen. Und dann waren die halbe Wochenschau die Kämpfe um Arnheim und hat mich das besonders gefesselt. Habe ich doch wenigstens einen Einblick in Deine Umgebung gehabt. Es muß ja sehr hart hergegangen sein, der Himmel war ja wie verfinstert von Flugzeugen und Fallschirmjägern. Mutter war mit Heidi derweil bei Ulli, denn sonst hätte Erika auch nicht mitgehen können. Heute war ich mit Heidi mal wieder im Garten. Habe ein Stücklein umgegraben, denn es war ein herrlicher Herbsttag. Heidi hat sehr schön gespielt. Auf dem Rückweg haben wir dann das Zeug von Lisa mitgenommen. Martin arbeitet schon mal wieder nicht und kommt auch nicht nach Hause. Der wird anders, wenn er mal bei den Soldaten war. Am Montag fährt Vater nun nach Brambach. Er hat es glücklich durchgesetzt. Am Montag gehe ich ins Waschhaus. Halte den Daumen, daß es schön ist zum Trocknen. Von Tante Gretchen bekamen wir den Küchenschrank und den weißen Kleiderschrank, und freue ich mich sehr, daß ich nun einen Küchenschrank für mich allein habe, denn der Platz wird tüchtig knapp. Heute stand ja auch die Feier für Gent drin in der Zeitung, der war doch mal eine zeitlang bei Euch? Soll ich Dir den Bericht mit Bild mal hinschicken? Am Sonnabend will ich mal mit Frau Berthold und den Kindern in den Wald gehen, mal bissel im Laub rascheln, ich finde das so schön. Frau Berthold hat auch schon über zehn Wochen keine Nachricht von ihrem Mann und auch Frau Kürbis hat immer noch nichts.
Und nun will ich für heute mal wieder schließen. Hoffentlich erreichen Dich meine Zeilen, kleiner Mann. Und nun bleib uns gesund und behalt uns lieb, und nimm 1000 liebe Grüße und Süße, und laß Dir schnell noch sagen, daß wir Dich ganz derb liebhaben
Deine Leni und das Heidikind.
Heidi hat jetzt mal den Weihnachtsmann getroffen (einen alten Mann mit langem Bart). Sie ging ganz furchtlos hin und sagte: “Guten Tag Weihnachtsmann, bringst Du mir einen Schlitten?” Und der Weihnachtsmann
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