Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
nahm ihre Hand und sagte: “Wenn Du brav bist, bekommst Du einen Schlitten.” Heidi wurde ganz rot vor lauter Freude und Aufregung.
E.O., den 12.10. 44
Meine liebe kleine Lenifrau!
So, jetzt habe ich meine ganzen Klamotten gepackt und in paar Stunden verlassen wir hier die Stellung um über die Heide zu ziehen; 16 Monate war ich nun hier und hatte gehofft, dass, wenn es hier schon mal weggeht, es wenigstens der Heimat zugeht, aber leider. Na, lange wird es ja nicht mehr dauern und bin ich froh, wenn ich mal Holland den Rücken kehren kann. Heute bin ich nochmals hier überall herumgegangen und fand ich da sogar noch etwas blühende Heide, von der ich Dir ein Stück als einen besonderen Gruss von mir beilege. Jetzt haben wir nun fünf Tage wieder keine Post bekommen, aber vielleicht klappt es heute. Hoffentlich hast Du alle meine Briefe bekommen, damit Du weisst, dass ich auf dem Posten bin. Für Dich sind nun ca. acht bis zehn Feldpostpäckchen unterwegs, lauter Krimskrams, es wäre schön, wenn sie alle ankämen, denn es ist auch allerhand Nützliches dabei. Ausserdem habe ich gestern einem Kameraden zwei Pakete mitgegeben, die er als Wertpakete im Reich aufgibt. Die braunen Herrenhalbschuhe hebe mir bitte auf, die Fleischkonserven teilst Du vielleicht oder gibst was ab an Helenchen und Mutter, das überlasse ich ganz Dir. Und dabei ist noch eine grosse Ueberraschung. Das kleine Wertpaket enthält vier Pfund Butter, die schon etwas ranzig geworden ist; aber wenn Du sie auslässt, wirst Du sie wohl noch verwenden können. Und kannst Du Dir denken, was das für Butter ist? Von meinen weggekommenen fünf Pfund. Vorgestern spielte ich mit unserem Koch Skat, als er sagte, er hätte in seinem Kühlraum einen Karton mit fünf Pfund Butter gefunden, da sie ranzig sei, habe er schon ein Pfund zum Kochen mit verwendet. Ich sagte ihm gleich Bescheid, wie der Carton aussieht und dass die Butterverpackung mit Zwolle beschriftet sei und sie mir gehört. Er leugnet aber, die Butter seinerzeit aus dem Kühlschrank genommen zu haben und will ich die Sache nun auf sich beruhen lassen. Die Fleisch- und Milchkonserven habe ich mir aufgespart, denn zur Zeit leben wir wie die Maden im Speck. Pro Tag 75 Gramm Butter, eine Dose Milch und eine Dose Fleisch und fast alle zwei Tage Huhn- oder Entenbraten, da kann man schon sparen. Jetzt habe ich nun die nächsten 30 Tage vollauf zu tun, denn jetzt geht wieder die Aufbauerei und Wühlerei los, bloss ich glaube, dass wir gar nicht mehr so lange in Holland sind. Die Feldpostnummer ist die gleiche geblieben. Solltest Du die neuen braunen Halbschuhe gegen eine Gans oder ähnlich Nützliches vertauschen können, dann tue es ruhig ohne Gewissensbisse. Das Wetter ist seit gestern wieder prima, aber uns wäre dicker Nebel lieber gewesen. So, nun habe ich ein Langes und Breites von mir erzählt ohne mich zu erkundigen, wie es Dir, Heidi und den Eltern geht, ich hoffe aber, dass Ihr alle wohlauf seid.
Schreibe Dir nun morgen oder übermorgen wieder und schicke Dir bis dahin viele liebe Grüsse und Küsse. Das Gleiche fürs Heidikind und grüss mir beide Eltern vielmals von mir.
Dein Dichliebender Hans.
Leipzig, den 21.10 1944
Mein lieber alter Strolch!
Jetzt will ich nun mein Versprechen einlösen, und Dir Deine lieben Briefe vom 1.10., 5.10. und 9.10. beantworten, die ich jetzt vor mir liegen habe. Heidi schläft, und sonst ist auch alles soweit fertig, also daß ich hoffentlich ohne unliebsame Zwischenfälle schreiben kann. Deine Briefe habe ich alle erhalten, und hoffe ich nur, daß wir nun weiter auf dem Laufenden bleiben. Wie sehr mir das Schicksal von Noak zu Herzen gegangen ist, hatte ich Dir ja schon geschrieben. Er hat wohl zu viel Blut verloren, denn sonst wäre ja eine Unterschenkelverletzung nicht lebensgefährlich gewesen. An Frau Noak will ich nun nächste Woche mal schreiben. Mutter will eventl. selbst mal hinfahren. Heidis Puppe ist noch nicht angekommen, damit unser Kerlchen außer dem Schlitten noch was vom Weihnachtsmann bekommt. Die letzten Tage in Eurer alten Stellung sind ja für Euch nun kein Genuß gerade gewesen, denn dauernd in den Löchern in Deckung stecken ist doch eine äußerst unangenehme Lage. Ich bin so froh, daß Ihr wenigstens jetzt etwas geschützter untergebracht seid. Mit der Verlegung ins Reich hat es nun doch nicht geklappt. Ich hatte schon so sehr damit gerechnet, daß Du dadurch vielleicht zu einem Urlaub kommen könntest. Nun
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