Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Hause geblieben, das Mittagessen richten. Es war alles ein bißchen sehr viel für mich und unser Lischen. Nun haben wir es hinter uns. Gestern war ich nun einmal mit nach dem Garten am Nachmittag. Martin hatte gestern Geburtstag und am Abend gab es eine unangenehme Auseinandersetzung zwischen Martin und Käte, des Hauses wegen. Wenn nun Martin, was jetzt nicht ausgeschlossen ist, eingezogen wird, ist für Lisa ein Bleiben unmöglich. Sie ist innerlich so zerissen, daß man tatsächlich Angst um sie hat. Nun kam vorige Woche ein Telegramm von Erika, daß Annemarie Faber am Montag den Ulimann mitbringt und wir ihn in Dresden abholen sollen. Genaues weiß ich noch nicht, wir warten noch auf Erikas Brief. Lisa holt ihn ab. Sie sollte ihn eigentlich an der ungarischen Grenze abholen, aber nun bringt ihn Annemarie mit. Ich weiß auch noch nicht, ob wir mit dem Jungen nach Oschatz fahren oder hierher nach Leipzig, wie gesagt, wir warten noch Erikas Brief und Bestimmung ab. Ich will gegen Abend mal zu Fabers raus. Wie gesagt, ich bin noch nicht zu Verstande gekommen. Ich wäre so gern mal nach Schleußig raus, aber ganz undenkbar. Ich dachte immer, Mutter würde mich einmal besuchen, wenn sie Zeit und Lust hat, aber sicher hat sie keines von beiden. Dann wollen wir noch in diesen drei Tagen unseren Umzug nach der Märchenwiese bewerkstelligen, denn durch das Verhältnis hier im Hause zwischen Käte und Lisa ist unser Bleiben unmöglich und so möchte ich das Notdürftigste wenigstens in Ordnung haben, wenn Erika kommt. Mit Uli gehen wir eben in den Garten und wenn Alarm kommt, in den ....keller, der ist bombensicher.
Ich nehme an, daß es Dir und Heidi in Saaz gut geht, ebenso Gretel und Toni. Grüß alle schön von mir, auch die Mutter der beiden.
Jetzt hatten wir vier Nächte hintereinander nachts Voralarm, Gott sei Dank ist es bei dem Alarm geblieben. Heute Vormittag auch. Sollte irgend etwas Bestimmtes noch kommen, so schicke ich Dir ein Telegramm. Im übrigen genieße die schönen ruhigen Tage ausgiebig. Onkel Paul fährt nach dem Salzkammergut. Er würde mich gern mitnehmen, aber ich kann doch nicht weg. Gebrauchen könnte ich es schon. Vielleicht kann Papa mit. Papa nimmt heute die restlichen Johannisbeeren ab.
Dir und Heidi viele liebe Grüße und den anderen drei Damen
von Eurer Mutter
Was macht Gretels Gesundheit?
???
Liebe Leni!
Vielen Dank für Deinen lieben Brief. Inzwischen wirst Du auch den meinigen erhalten haben. Von Annemarie kam ein Telegramm. Sie kommt erst Mittwoch früh mit Uli in Dresden an. Du brauchst nun nicht eigens deshalb früher zurückzukommen, das ist nicht nötig und wenn Erika kommt, schicke ich Dir ein Telegramm. Genieße die Ruhe und den Frieden, ich wollte, ich könnte es auch. Ich habe mich recht gefreut auf die Butter und wollte sowieso Mutter Helm am Mittwochnachmittag besuchen. Ich brauchte mal jemand, mit dem ich mich einmal aussprechen wollte, da mich so einiges bedrückt, aber ich habe kein Glück in Schleußig. Sie war schon weg und Vater wollte gerade baden gehen, so habe ich mich eine halbe Stunde mit ihm unterhalten und bin dann in die Stadt gegangen, Bettstellen angucken, in der Faust mein Brötchen. Bin mal wieder in recht deprimierter Stimmung. Von Erika ist inzwischen noch keine Nachricht gekommen.
Vorige Woche war viermal nachts Voralarm, diese Woche einmal und gestern Vormittag Alarm, eine Unmenge Flieger kamen an. Die letzten sechs Kampfgeschwader habe ich mir mit angesehen. Sie waren in Böhlen, Regis-Breitingen. Martin brachte acht Engländer vom Bahnhof mit, er meinte, wenn was passiert, Männer sind genug da. Papa war auch vom Garten nach Hause gekommen. Ob Käte die Wohnung allein unten behält! Welch komische Frage, darüber reden wir, wenn Du da bist. Wir fangen an heute nach der Märchenwiese zu räumen und wollen das Beste für uns hoffen. Heute gegen Abend wird Mutter mir Butter rausbringen und soll sie einen Eimer Äpfel sich mitnehmen. Käse kann Mutter weitergeben. Dein Rad hat Papa heute mit nach Holzhausen genommen. ...Annemarie schickt auch ihr Gepäck mit und ihr Vater wird es in Dresden abholen. Ihr Bruder wird auch wieder mit zurückkommen und Erika soll machen, daß sie auch zurückkommt.
Hauptsächlich Eris wegen gehen wir schon nach der Märchenwiese. Ich will nun schließen, daß mein Brief mit fortkommt.
Herzlichen Gruß Dir und dem Heidikind sowie Gretel, Toni, Mutter Svoboda
Mutti
August 44?
Liebe
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