Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
können ja auch schwer ausprobieren, da wir oft keinen Strom haben. Vorgestern, gestern und heute war früh ¼ 8 Uhr der Strom weg und kam überhaupt nicht wieder, und heute zum Sonnabend und morgen Sonntag soll er da sein, sonst soll das wegen Kohlenmangels Dauerzustand werden. Es ist ein herrlicher Genuß, immer mit dem Licht rumzurennen, und da muß man sich noch glücklich schätzen, daß man noch Kerzen hat. Ich habe noch die dicken von Dir aus Holland. Heute steht in der Zeitung, daß Haushaltungen die Kohle über 20 Zentner abgeben müssen, da viele überhaupt nichts haben. Borna muß ja das ganze sowjetische Besatzungsgebiet beliefern. Wir fallen da nicht mehr mit rein, haben vielleicht noch 19 Zentner. Weißt Du, ins Kino gehe ich jetzt öfter. Viel mehr als früher. Bin ich da leichtsinnig? Diese Woche war ich schon wieder in ‘Ich brauche dich’ mit Birgel, Hoppe, Dahlke. Schauspielerisch ganz groß und hat er mir sehr gut gefallen. Heidi zankt zwar immer, wenn ich gehe: “Ja, du gehst immer ins Kino, du sollst bei mir bleiben.” Alle Berliner, die ich hatte, habe ich Heinz mitgegeben. Hast Du sie schon bekommen? ....
Mit der Puppenküche haben wir schon ein paar mal gekocht, aber allein hat sie noch nicht das Interesse. Sie ist wohl doch noch ein bissel klein dazu. Aber weißt Du, was ich ihr gestern gegeben habe? Deine Brücke von Deiner Eisenbahn (die Arthur gemacht hat) und die kleinen Bäume und auch den Bahnsteig, und spielt sie da sehr schön damit Zug. Der Zug ist ein einfacher Baustein. Du darfst auch dafür, wenn Du mal mit Deiner Eisenbahn spielst, Heidis Dörfer mit benutzen. Einverstanden? Sie kommt jetzt immerzu, ich solle mit ihr spielen, aber ich habe doch auch noch mehr Arbeit. Du, sag mal, ob das denn bestimmt ist, daß der Russe im Februar geht? Und wenn es nun nichts damit wird, wie sieht es dann mit Deinem Heimkommen aus? Hier sind jetzt so viel Kameraden aus englischer Gefangenschaft gekommen, auch aus der Nähe von Brüssel. Onkel Max und Kroll arbeiten ja beide in der A.T.G. und beiden gefällt es gut, und der Russe treibt immer mehr, auf der anderen Seite bestellen sie Wäsche bei Rost, lieferbar bis Ende Februar. Man weiß da nun gar nichts und muß wieder mal wie immer abwarten. Unsere Sonderzuteilung bestand aus einem Pfund Mehl und einem halben Pfund Zucker pro Kopf. Überwältigend, was? Aber doch besser als gar nichts. Von Tante Anna habe ich jetzt eine Flasche Aquavit gekauft (26.50 M), einen halben Liter, und machen wir davon Likör, wenn Du da bist. Soso, also Tanz war bei Euch im Lager? Waren denn auch Frauen da, aber ich kann mir schon denken, daß Du Dir nichts aus so was machst, aber vielleicht wäre es doch ganz nett gewesen? Zigarettenpapier und Umschläge hat Dir ja Heinz mitgebracht. Dem Briefmarkensammler will ich die Marken schicken, soweit ich sie von der Provinz Sachsen bekomme. Gestern waren Krolls und Leidels zum Abend da, und haben wir bei der Kerze trautem Schein gemütlich beisammen gesessen, doch darüber will Dir morgen Mutter schreiben.
Für heute nun Schluß, kleiner Mann, bleib gesund, behalt uns lieb und sei tausendmal gegrüßt und geküßt
von Deinem alten Stromer und dem Kerlchen.
Brieffragment von Hans vermutlich aus der 2. Januarhälfte 1946
...die Kerzen organisiert habe und war er tief beleidigt, weil sie sich seinerzeit nicht klar kamen, woher die Kerzen gekommen waren. Kleine Maus! Ich freue mich immer, wenn Du mir schreibst, dass Du im Kino oder Theater warst, denn ich gönne Dir doch die Zerstreuung, was hast Du denn sonst noch. Sieh, sieh, unser kleines Kerlchen fängt schon zu protestieren an, aber lass Dich dadurch nur nicht aus der Fassung bringen. Ich war am Dienstag in ‘Hab mich lieb’ mit der Röck, aber ich mache mir nicht so viel aus solchen Tanzfilmen, trotzdem es mal die 14-tägige Abwechslung bringt. Hast Du schon die Berliner weggeschickt, ich warte nämlich darauf. Jetzt habe ich zwei nette Bücher gelesen und zwar ‘Heideschulmeister Uwe Karsten’ und ‘Die Heilige und ihr Narr’. Beide haben sie mir ungelogen sehr gut gefallen, allerdings das letztere ist etwas überspannt. Die Bücher hatte ich mir bei Frieses geborgt. Du weißt ja nun auch, warum ich immer noch mit dem Bleistift schreibe, aber ich hatte Dir ja auch geschrieben, dass ich wieder einen Füller bestellt habe und nun warte ich, dass ich ihn bekomme. Ganz enttäuscht bin ich, dass Du Dich an das Zubehör meiner Eisenbahn gewagt und
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