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Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Titel: Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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von rohem, rotem Fleisch, freigelegte Knochen und Zähne, teilweise zerstörtes Zahnfleisch und die Ohren, von denen nur noch der weiße Knorpel zu sehen war.
    In diesem Moment wurde Nele bewusst, dass die Säure ihr Werk noch gar nicht vollendet hatte. Sie war noch immer dabei, sich in den toten Körper zu fressen.
    Nele spürte ihren Atem und Herzschlag schneller werden. Rasch wandte sie den Blick von der Leiche ab und atmete heftig aus, so als hätte sie die ganze Zeit über die Luft angehalten. Es war eiskalt auf dem Dachboden. Ihr Atem stieg als weiße Nebelfahne auf.
    Ein Geräusch ließ sie herumfahren.
    Anou kam wieder die Treppe herauf. Trotz ihres dunklen Teints wirkte ihr Gesicht bleich und eingefallen. Die Hoffnung, Miriam Singer lebend zu finden, war gerade bei Anou besonders intensiv gewesen. Sie hatte die junge Frau gemocht, weil sie sich dem Täter widersetzt hatte. Aber trotz ihres Mutes und ihrer Kampfkünste hatte sie letztendlich keine Chance gehabt. Im zweiten Anlauf hatte sich der Täter geholt, was er wollte, und sein Versprechen, mit Blut an die Wand im Haus der Singer geschrieben, erfüllt.
    »Das ist so unfair«, sagte Anou mit zitternder Stimme. »Wir hätten sie besser schützen müssen.« Ihre Hände waren zu Fäusten geballt, ihre Unterlippe vibrierte.
    Nele packte sie bei den Schultern und drehte sie weg. »Geh bitte runter, ruf Quandt und die Spurensicherung an, und nimm sie in Empfang. Ich komme gleich nach.«
    Wortlos wandte Anou sich ab und stieg die Treppe hinunter.
    Nele wartete, bis sie sie nicht mehr sehen konnte, dann drehte sie sich mit einem Ruck um und betrachtete den Dachboden genauer.
    Zwei alte Matratzen lagen herum, darauf mindestens sechs Paar schwarze Stiefel, alle getragen und schmutzig. Nele dachte an die Vielzahl von Schuhen, die unten im Flur vor sich hin stanken. Weiterhin sah sie einen Bretterstapel, einige Dachlatten sowie vier Rollen Dämmwolle, alles dick eingestaubt. Unweit des Schaukelstuhls standen zwei blaue Kunststoffkanister auf dem Boden. Der eine war voll, der andere bis zur Hälfte entleert. Außerdem lagen dort eine leere Plastiktüte und eine Packung Latexhandschuhe.
    Nele ging in die Knie und suchte nach Etiketten auf den Kanistern, fand aber keine.
    Sie wusste auch so, was sich darin befand.
    Wasserstoffperoxid.
    Sie hatten den Täter gefunden.
    Leider zu spät. Ein klein wenig nur, vielleicht eine Stunde. Zeit, die sie mit dem störrischen Privatdetektiv verplempert hatten. Miriam Singer könnte noch leben, wenn Seitz ihnen gleich in seiner Hütte von Horst Schön erzählt hätte.
    Sie musste es lange klingeln lassen, bis er endlich abnahm.
    »Was?«
    Nicola zuckte zurück.
    Er klang abgehetzt, aufgeregt und wütend. Sie hatte den denkbar schlechtesten Zeitpunkt erwischt, ihn anzurufen, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Sie würde das jetzt durchziehen, egal, wie es ihm ging. »Ich bin’s.«
    »Was willst du?«
    »Bitte … Wir müssen reden.«
    »Ich glaube nicht, dass wir beide noch etwas zu bereden haben. Du hattest deine Chance. Jetzt leb mit den Konsequenzen.«
    Nicola hörte an seiner Stimme, wie unglaublich wütend er war. Außerdem schien er im Wagen zu sitzen, denn im Hintergrund waren Fahrgeräusche zu hören.
    »Es tut mir leid … Wirklich, ich war so durcheinander und hatte Angst. Ich weiß gar nicht mehr, was ich tue.«
    »Den Eindruck habe ich auch. Hör zu, ich habe keine Zeit für deine Heulerei. Ich muss arbeiten.«
    »Kannst du nicht vorbeikommen? Ich nehme auch alles zurück. Du darfst wieder ins Haus. Es war ein ganz großer Fehler von mir, aber diese … Diese Polizistin hat mich dazu angestiftet, allein hätte ich das nie getan.«
    Er schwieg. Sie hörte ihn schwer atmen.
    »Bitte … Ich will nicht mehr allein sein.«
    »Ich habe noch in der Stadt zu tun. Danach komme ich vorbei, aber ich habe nicht viel Zeit. Lass dir bloß nicht einfallen, mich vor der Tür stehen zu lassen … oder wieder die beschissenen Bullen zu rufen!«
    Die unvorstellbare Wut hatte sich in glühende Lava verwandelt, die sein Innerstes ausfüllte, ihn überschwemmte, trotzdem nicht genug Platz fand und aus ihm herausquoll. Aus jeder Pore drang ihm der Schweiß, helle Lichtblitze zuckten über seine Pupillen. In seinen Ohren rauschte und dröhnte es, sein Rachen brannte von dem infernalischen Schrei, den er in seiner Hütte ausgestoßen hatte.
    Ein Fehler!
    Er hatte einen unsagbar dummen Fehler begangen, indem er Horst Schön

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