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Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Titel: Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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und war …
    Nein!
    Nicht dieser Traum hatte sie geweckt, sondern etwas anderes. Ein Geräusch. Ein lautes Plätschern, wie von einem Wasserfall. Und auch, dass ihr Körper im Wasser lag, war Realität!
    Auf dem Boden des Schwimmbeckens standen zwei Zentimeter Wasser.
    Wo kam es her?
    Sie sah sich um und entdeckte rechts von sich oben am Rand des Schwimmbeckens ein Rohr von gewaltigem Durchmesser, aus dem sich ein dicker Schwall hellen Wassers unablässig ins Becken ergoss.
    Es war genauso kalt, wie sie es geträumt hatte, nur blieben Herz und Lunge nicht stehen. Ganz im Gegenteil. In der aufkeimenden Panik raste ihr Puls.
    Das Wasser stieg unglaublich schnell.
    Kubikmeter um Kubikmeter stürzten ins Becken, und schon nach wenigen Minuten musste sie den Kopf nach oben recken, um noch atmen zu können. Doch das verschaffte ihr nur eine kurze Galgenfrist, denn ein paar Sekunden später gab es keinen Spielraum mehr. Die Wasseroberfläche schloss sich über ihrem Gesicht, hüllte sie nun komplett ein wie ein tödlicher Kokon. Sie wehrte sich gegen den letzten Atemzug, gab sich der törichten Hoffnung hin, irgendjemand würde kommen und sie in letzter Sekunde retten.
    Doch das geschah nicht.
    Sie riss den Mund auf und atmete das kalte Wasser ein.
    In dem Moment erwachte Miriam Singer zum wiederholten Mal aus diesem Traum, der sich im Laufe der zurückliegenden Nacht zu einer Wahnvorstellung entwickelt hatte. Wieder und wieder war sie ertrinkend erwacht, wieder und wieder hatte sie ihren eigenen Tod gespürt und sich doch nicht dagegen wehren, nicht wirklich aufwachen können.
    Was immer er ihr eingeflößt hatte, hatte dieselben Auswirkungen auf ihren Verstand gehabt wie in der Nacht, als der Wald über ihr Auto hergefallen war. Jener Nacht, in der dieser Terror seinen Anfang genommen hatte. Doch jetzt schien es vorbei zu sein. Sie hatte einen Ausweg aus diesem tödlichen Strudel gefunden.
    Plötzlich vermisste sie ihren Großvater.
    Cem, ihren Trainer.
    Dieses Gefühl war so intensiv, dass sie zu weinen begann. Ein Heulkrampf durchlief ihren Körper, ließ sie zittern und schluchzen und am Ende sogar laut um Hilfe schreien.
    Nach ein paar Minuten war es vorbei, und die Stille kehrte in die Schwimmhalle zurück. Kein Laut von ihr hatte das Gebäude oder auch nur das Becken verlassen.
    Hör auf, hör auf, hör auf, sagte Miriam sich.
    Sie wusste, sie würde nicht überleben, wenn sie die Hoffnung verlor und in Panik verfiel. Es musste einen Ausweg geben, es musste einfach! Immerhin lebte sie noch. Er hatte sie nicht getötet, obwohl es so einfach für ihn gewesen wäre.
    Miriam rief sich den gestrigen Tag in Erinnerung.
    Trotz der Schmerzen, welche die Flüssigkeit auf ihrem Körper entfacht hatte, hatte sie noch einiges mitbekommen.
    Innen ist es am wichtigsten, dort seid ihr am schmutzigsten, hatte er gesagt, und dann war er total ausgeflippt, weil der Druckbehälter nicht mehr funktionierte oder leer war, das wusste Miriam nicht genau. Rasend vor Wut hatte er ihr aus einer Flasche Flüssigkeit in den Mund gepresst, und nach dem, was mit ihrer Haut passiert war, hatte Miriam in dem Moment mit dem Leben abgeschlossen.
    In der Flasche musste sich aber etwas anderes befunden haben. Das Letzte, woran Miriam sich erinnerte, war, ihm dabei zugesehen zu haben, wie er aus dem Becken stieg, wieder hereinkam, ihre Füße fesselte und ein paar Decken über sie ausbreitete.
    Unter diesen Decken lag sie immer noch, deshalb war sie nicht erfroren. Alte, graue, kratzige Decken, wie man sie bei Umzügen benutzte, um Möbel vor Schrammen zu schützen. Er hatte sie zugedeckt, weil er nicht wollte, dass sie starb. Er brauchte sie noch, und Miriam konnte sich nur zu gut vorstellen, was passieren würde, wenn er mit neuer Flüssigkeit zurückkehrte. Den Anblick des weißen Bläschenschaums auf ihrer Haut, wie er immer weiter an ihrem Körper emporgekrochen war und dabei dieses Feuer aus Schmerzen ausgelöst hatte, würde sie nicht vergessen.
    Miriam traute sich kaum, unter die Decken zu schauen. Sie erwartete, eine offene, nässende, rot entzündete Fläche vorzufinden, die einmal ihre Haut gewesen war.
    Aber hätte sie dann nicht noch Schmerzen haben müssen?
    Verwirrt drehte sie sich auf den Bauch und dann wieder zurück. Die Decken blieben auf dem Boden liegen, und sofort fiel die Eiseskälte über sie her. Aber das war jetzt nebensächlich. Sie spannte ihre Bauchmuskulatur an und richtete ihren Oberkörper auf.
    Miriam konnte es nicht

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