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Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Titel: Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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an denen er wie verwandelt war, höflich, aufmerksam und um Harmonie bemüht, und alles wiedergutmachen wollte – hatte er von sich aus erzählt, dass er in der Stadt schlief, wenn ihm nach der Arbeit die Rückfahrt zu viel wurde. Angeblich verfügte er dort über einen Raum mit einem Bett darin.
    Nicola würde ihn auch jetzt nicht danach fragen. Daran vermochte auch die zurückliegende Nacht nichts zu ändern, die sie, von Selbstzweifeln gequält, schlaflos verbracht hatte. Immer wenn sie sich gerade erfolgreich glauben gemacht hatte, sich getäuscht zu haben, war die eingebrannte Momentaufnahme vor ihrem geistigen Auge aufgeblitzt. Und hatte sie zurückgeschleudert in das dunkle Loch, in das sie gefallen war, nachdem er das Haus verlassen hatte.
    Was habe ich gesehen?
    Habe ich überhaupt etwas gesehen?
    Um Punkt sechs war sie aufgestanden, so wie jeden Morgen, und hatte mit der Hausarbeit begonnen, ohne vorher zu frühstücken. Jetzt war unten bereits alles sauber, dort würde er also keinen Grund finden, sie zu rügen. Sie wusste zwar, dass er dazu eigentlich keinen Grund benötigte, aber je weniger Angriffsfläche sie ihm bot, desto besser erging es ihr. Vielleicht konnte er ja auch nicht wirklich etwas für diese Ausfälle. Vielleicht hatte es mit dem Stress zu tun, dass er sich über jede Kleinigkeit aufregte und sein Blutdruck anstieg. Daran konnten auch die kleinen weißen Pillen, die Dr. Gründner ihm schon vor Jahren verschrieben hatte, nichts ändern.
    Nicola klappte im oberen Badezimmer den Klodeckel hoch und kippte Chlorreiniger ins Becken. Sofort stieg der scharfe Geruch zu ihr auf, und sie drehte den Kopf beiseite. Der Chlorgeruch machte sie krank, aber er bestand darauf, behauptete, nichts anderes beseitige Bakterien so wirkungsvoll, und er musste es ja wissen.
    Als die Dämpfe sich gelegt hatten, nahm sie die Rundkopfbürste und begann zu schrubben. Schrubbte kräftig die weiße Emaille, die längst sauber war und eigentlich sowieso nie Schmutz gesehen hatte. Alles musste in Ordnung sein, wenn er zurückkehrte. Also schrubbte sie, bis kleine Schweißperlen auf ihrer Stirn standen, und fühlte sich gut dabei. Die Arbeit half. Wenn sie sich nur genug anstrengte, kam sie nicht zum Nachdenken und musste sich nicht immer wieder diese Fragen stellen.
    Was habe ich gesehen?
    Habe ich überhaupt etwas gesehen?
    Sie schrubbte noch schneller, und als sie den Arm kaum noch bewegen konnte, drückte sie die Spülung. Der Schaum verschwand mit dem rotierenden Wasserstrom, und sie konzentrierte sich darauf, auch die quälenden Fragen und die Bilder aus ihrem Kopf das Klo hinunterzuspülen.
    Als das Gurgeln und Rauschen verstummte, hörte sie unten die Haustür ins Schloss fallen.
    Er war zurück!
    Schnell klappte sie den Deckel hinunter, steckte die Bürste in den Halter und streifte die gelben Gummihandschuhe ab. Dann überprüfte sie mit einem routinierten Blick, ob kein Haar von ihr auf dem Toilettendeckel liegen geblieben war. Bevor sie dazu kam, ihren eigenen Anblick im Spiegel zu begutachten, stand er schon in der Tür.
    Nicola erschrak.
    So hatte sie ihren Mann noch nie gesehen. Er war total verdreckt, sein Haar stand wirr vom Kopf ab, seine Augen wirkten müde. Gleichzeitig lag aber auch ein gehetzter Ausdruck darin – und noch etwas anderes. Sie sah gerade lang genug hin, um es wahrzunehmen. Durch die oberflächliche Tarnung seiner Augen hindurch schien sie in eine Tiefe zu blicken, die bodenlos war und angefüllt mit einer animalischen Gier nach Gewalt.
    Der Andere, dachte sie, es ist Der Andere .
    Zuerst hatte sie ihren Mann kennen gelernt, und lange Zeit waren sie beide allein gewesen, glücklich und verliebt. Er hatte sie quasi auf Händen getragen und vor all dem beschützt, was ihr im Leben schon immer Angst gemacht hatte, vor allem vor ihrem Vater. Sie war seit ihrer Geburt ein ängstlicher Mensch, das hatte ihre Mutter ihr oft genug erzählt, ohne es je wie einen Vorwurf klingen zu lassen. Ihr Vater aber hatte dann immer seinen Kopf geschüttelt, sie mit diesem abschätzenden Blick taxiert, und gesagt, für sie käme nur ein Mann in Frage, der ihr zeigen würde, wo es im Leben lang ging.
    Den hatte sie bekommen.
    Und noch mehr dazu.
    Der Andere, der unter der Oberfläche, war erst später dazu- gekommen und hatte sich auch nur selten gezeigt. Wenn er dann aber auftauchte, gab es nur ihn, und dann tat Nicola gut daran, sich zu fügen und niemals zu widersprechen. Niemals! Mit ihrem Mann konnte

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