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Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Titel: Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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wenngleich auch nicht alles der Wahrheit entsprechen muss. Seitz hat damals Undercover gegen die OK ermittelt.«
    »Organisierte Kriminalität?«
    Dag nickte. »Es ging wohl gegen die Italiener. ’ Nhdrangeta. Einzelheiten kenne ich nicht, aber bei einem Einsatz ging was schief. Am Ende hatten sie vier tote Italiener und zwei tote BKA-Beamte. Seitz hatte die Leitung. Er selbst soll drei Männer getötet haben.«
    »Drei getötete Mafiagangster? Na und? Was ist daran …«
    Dag schüttelte den Kopf. »Er soll einen Kollegen erschossen haben. Seinen Partner.«
    Daraufhin herrschte Schweigen. Nele musste die Information erst einmal verdauen. Das war harter Tobak.
    »Es ging das Gerücht, es sei kein Unfall gewesen«, setzte Dag dem Ganzen noch die Krone auf. »Das konnte ihm niemand beweisen, aber die Ermittlungen ergaben, dass sein Kollege korrupt war und Seitz an die Mafiosi verraten hat. Irgendein Politiker war eventuell auch in die Sache verwickelt, aber du weißt ja, wie so was läuft. Sie haben Seitz keinen Mord, aber fahrlässige Tötung nachgewiesen und ihn rausgeschmissen.«
    Nele starrte ihren Chef an. »Das hat mir gerade noch gefehlt. Und wie soll ich mich jetzt verhalten?«
    »Du verhältst dich so, als hättest du diese Geschichte nie gehört. Wenn du jemanden aus deinem Team einweihen musst oder willst, dann sagst du nur, Seitz habe fürs Innenministerium gearbeitet. Mehr wissen wir nicht. Mehr dürfen wir nicht wissen.«
    »Und ihm selbst gegenüber?«
    Dag Hendrik zuckte ein wenig ratlos mit den Schultern. »Mach dich auf einiges gefasst. Der Mann ist ein Profi.«
    Nele nickte, stand auf und wandte sich der Tür zu.
    »Geht es dir gut?«, fragte Dag Hendrik.
    Sie drehte sich noch einmal um. »Ja. Warum?«
    »Ich weiß nicht … Du siehst ein bisschen abgekämpft aus.«
    Nele schüttelte den Kopf. »Es ist nichts. Ein bisschen wenig Schlaf vielleicht.«
    Damit wandte sie sich ab und verließ das Büro ihres Chefs mit dem Gefühl, er würde ihr nicht glauben. Kein Wunder. Sie glaubte sich ja selbst nicht.
    Nachdem die Polizistin gegangen war, spülte Nicola die Tassen und die Kanne ab und polierte das gute Porzellan mit einem Stofftuch auf Hochglanz, so wie ihr Mann es immer von ihr verlangt hatte. Erst als sie die teuren Tassen bereits in den Schrank geräumt hatte, wurde ihr bewusst, was sie da tat.
    Sie hielt inne.
    Minutenlang starrte sie die Tassen an. Schließlich nahm sie eine, hielt sie in Hüfthöhe über dem Fußboden und ließ sie fallen. Sie zerplatzte auf den Fliesen, und Scherben schossen in alle Richtungen davon. Nicola nahm eine weitere und ließ auch die fallen. Dieses Geschirr hatte er mit in die Ehe gebracht. Es stammte von seiner Mutter. Feines, weißes, englisches Porzellan mit einer Blume in zartem Pastellrosa darauf. Sie hatte es nie gemocht, doch ihr Mann hatte darauf bestanden, es tagtäglich zu benutzen.
    Sie nahm noch zwei Tassen aus dem Schrank mit der Glastür und ließ sie ebenfalls zu Boden fallen. Danach war die Küche voller Scherben. Unordentlich. Chaotisch. So wie ihr Leben.
    Rückwärts ging Nicola aus der Küche und blieb unter der Tür stehen.
    Chaotisch. Zerstört.
    Damit etwas Neues entstehen konnte, musste Altes zerstört werden.
    Sie wusste nicht, woher der Satz plötzlich kam. Er war einfach da. So wie die Sehnsucht nach ihrem Lied, das sie so lange nicht mehr gehört hatte.
    Sie ging ins Wohnzimmer hinüber und öffnete eine Schranktür. Die CD Broken English von Marianne Faithfull lag unter den Tischdecken versteckt. Sie holte sie hervor und blickte sie an wie einen alten Freund, den sie lange nicht gesehen hatte. Dann ging sie hinüber zu der Hightech-Stereoanlage, seinem ganzen Stolz, auf dem niemals auch nur ein Fingerabdruck zu sehen sein durfte. Sie hinterließ gleich eine ganze Batterie davon, als sie die CD einlegte, ihr Lied auswählte und die Lautstärke hochdrehte.
    Sekunden später begann Marianne zu singen.
    … the morning sun touched lightly on the eyes of Lucy Jordan …
    Nicola schloss die Augen und ballte die Hände zu Fäusten. Tränen quollen unter ihren geschlossenen Lidern hervor, während sie dem Text lauschte, den sie seit Jahren auswendig konnte. So wie Lucy Jordan war auch sie nie in Paris gewesen, war nie in einem Cabrio gefahren und hatte nicht den warmen Wind in ihrem Haar gespürt. In den vergangenen Jahren hatte sie überhaupt nichts mehr gespürt.
    … Till the world turned to orange … and the room went spinning round …

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