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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Fogli
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anderen Ende der Leitung heißt Simone, er ist Polizist und kennt ihn seit einer Ewigkeit. Sie waren zusammen beim Militär in Piemont.
    Nach dem zweiten Klingeln geht er ran. Er bleibt einsilbig, macht lange Pausen, verspricht, später zurückzurufen, legt hastig auf.
    Es ist fast Abend, als er sich wieder meldet. Adriano reckt sich aus dem Sessel und hebt ab.
    »Ich dachte, du wärst verlorengegangen«, sagt er.
    Die Stimme am anderen Ende klingt nach Nikotin undErschöpfung. Sie dehnt die Vokale, redet in den Rauch eines Zigarettenzuges. Im Hintergrund hört man die Sirene eines Krankenwagens, die einfach nicht leiser werden will.
    »Scheiße, bist du völlig irre geworden, Adriano. Ist dir eigentlich klar, was du mich da gefragt hast?«
    »Natürlich, Simone. Ob du eine Person kennst.«
    Die Sirene verstummt.
    »Eine Person, sagt er. Eine Person! Ihr auf dem Festland habt wirklich keinen Schimmer, was hier abgeht.«
    »O bitte. Es ist wirklich zu heiß zum Philosophieren.«
    Der Mann am anderen Ende schweigt. Man hört das Geräusch von Flüssigkeit, die in ein Glas gegossen wird, ein weinendes Kind, eine Frauenstimme.
    »Wie geht’s deiner Frau?«
    »Gut, Adriano. Gut. Und auch dem Kleinen. Wenn er uns nur nachts mal schlafen lassen würde.« Das Weinen steigert sich zu einem verzweifelten Brüllen. »Bleib ’ne Sekunde dran.«
    Eine Tür schließt sich, Stille senkt sich über die Welt, Simone kehrt zum Telefon zurück.
    »Gewisse Namen kannst du am Telefon nicht nennen, weißt du.«
    »Wenn ich dir nicht gesagt hätte, wieso, hättest du mich erst in einer Woche zurückgerufen.«
    Ein Lachen.
    »Oder noch später. Was willst du über diesen elenden Rubbino wissen?«
    »Was weißt du denn?«
    »Ach, so viel darf ’s also sein? Was hast du am Wickel, Adriano? Gibt es in Mailand nicht genug Wespennester, die man ausheben kann? Ich lese alles, was du über Mani Pulite* schreibst, weißt du?«
    »Und was hältst du davon?«
    Ein Zug an der Zigarette.
    »Es nervt dich, dass der Name nicht auf deinem Mist gewachsen ist. Tangentopoli*. Klingt super!«
    »Du bist ein Aas.«
    Noch ein Zug, vermischt mit einem Lachen.
    »Klar bin ich das.« Er macht eine Pause. »Also, Salvatore Rubbino. Und ich hoffe, es gibt einen triftigen Grund …«
    »Sagen wir mal, ich bin über etwas gestolpert und möchte wissen, worüber.«
    »Salvatore Rubbino ist Cosa Nostra, Adriano. Da gibt es gar keinen Zweifel. Offiziell ein Bauunternehmer. Bauwesen, Steinbrüche, dieser ganze Scheiß. Aber jeder hier in Sizilien weiß, dass er im Uditore-Viertel das Sagen hat.«
    Noch eine Pause. Noch mehr Flüssigkeit, die in ein Glas plätschert, noch ein Schluck.
    »Hast du irgendeinen Mailänder gefunden, der Ärger mit der Mafia hat?«
    »Nicht Mailand, Simone. Ravenna. Sagt dir die Anonima Cementi was?«
    Die Stimme des Sizilianers senkt sich jäh.
    »Verdammt, willst du mich umbringen? Weißt du eigentlich, was hier passiert?«
    »Sag du’s mir, Simone. Deshalb habe ich dich schließlich angerufen.«
    Stille. Dicht, heiß, fern, bleiern. Lang. Zu lang.
    »Nein, das will ich nicht.«
    »Kann ich verstehen.«
    »Nein, kannst du nicht, Adriano. Kannst du nicht. Du hast mit dieser Sache nichts zu schaffen, und das ist gut so. Das sind dicke Fische, zu dick.«
    »Redest du von deinen Landsleuten oder von denen aus Ravenna? Und seit wann machst du dir ins Hemd?«
    Simone brüllt. Er brüllt, ohne die Stimme zu heben. Er brüllt lautlos.
    »Ich mach mir nicht ins Hemd, verdammt! Aber wenn diese Sache gemacht werden muss, dann nicht so.«
    »Dann sag mir, wie.«
    »Tu nicht so blöd, Adriano. Ich will in die Ferien fahren,weißt du. Ich bin müde, dem Kleinen würde es guttun. Und meiner Frau und mir auch. Aber ich kann mich nicht entscheiden. Verstehst du das Problem? Vielleicht hättest du auch Lust auf ein bisschen Urlaub, oder? Weg von all den Verbrechern, denen du auf den Fersen sein musst. Ich sag dir jetzt mal, wo ich gerne hinfahren würde, und wenn dich das interessiert, kannst du mich ja in zwei Tagen hier zurückrufen, und dann sehen wir, ob wir was organisieren können. Verstanden?«
    »Verstanden, Simone.«
    »Schön. Dann machen wir’s so. Wenn es mir gelingt, im August eine Woche Urlaub zu nehmen, würde ich gern in ein Haus am Meer fahren. Vielleicht auf einem Hügel. Weißt du, wo kürzlich gebaut worden ist? Bei Mondello, am Pizzo Sella. Da würde man gern ein paar Tage verbringen, findest du nicht? Wenn ich ein bisschen Kohle

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