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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Fogli
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hätte, könnte ich mir da ein hübsches Häuschen hinbauen lassen. Vielleicht von der … wie heißt doch gleich diese Firma, von der man so viel Gutes hört … von der Italcostruzioni. Die sind gut, weißt du?«
    »Ich denk drüber nach.«
    »Ja, genau. Denk drüber nach. Dann sprechen wir vielleicht noch mal?«
    »Schlaf gut, Simone.«
    Er lacht.
    »Schlafen, ja. Darüber sollte man wirklich schlafen.«
     
    Mitten in der Nacht steht Adriano auf.
    Draußen donnert es, aber nicht das Gewitter hat ihn geweckt. Möglicherweise hat er gar nicht geschlafen und die Zeit, seit er das Licht gelöscht hat, in einer unbewussten Wachphase verbracht, in der die Gedanken sich vermischten.
    Er öffnet weit das Fenster. Ozongeruch, ein Auto fährt vorbei, das Platschen des ersten Tropfens, der auf die Fensterbank fällt. Er streckt die Hand aus, der Regen zerbirst zwischen den Fingern, er zieht sie zurück, trocknet sie amT-Shirt ab. Reglos und stumm steht er da und sieht den Blitzen zu, die die Nacht verschlucken und den grauen Himmel dieses seltsamen Sommers zerreißen.
    Er fragt sich, ob es auch in Ravenna regnet. Und ob Davide Mirri, einer der einflussreichsten Männer Italiens, der bei der Semprini-Gruppe die Hand am Ruder hatte, dort oder in seinem schönen Haus in Mailand ist. Ob er wach ist oder schläft.
    Ob er trotz allem schlafen kann.
    Darüber sollte man wirklich schlafen.
    Simones abschließende Worte unterstreichen das Offensichtliche. Vielleicht schlafen wir schon allzu lange, denkt er, während der Regen sich in Hagel verwandelt, dessen Prasseln das Haus und die Nacht erfüllt.
    »Vielleicht sollten wir aufwachen«, sagt er. Und seine Worte werden vom Rauschen verschluckt. Er schließt das Fenster, knipst die Nachttischlampe an, das gelbe Licht fällt auf den papierüberhäuften Schreibtisch. Zwei Blätterstapel, auf jedem ein anderer Name.
    Auf dem ersten Pizzo Sella. Auf dem zweiten Italcostruzioni.
    Die haben sich noch nicht einmal versteckt, denkt er. Die haben noch nicht einmal versucht, die Spuren zu verwischen. Es existiert alles schwarz auf weiß, für jeden, der Lust hat, seine Nase reinzustecken. Während das Bild von der Mafia mit
lupara
* und
coppola
* in der allgemeinen Vorstellung dankbar hochgehalten wird, damit es bloß niemandem in den Sinn kommt, woanders hinzusehen.
    Er setzt sich an den Schreibtisch, lehnt den Kopf gegen die Rückenlehne und liest. Pizzo Sella ist ein Hügel hinter Mondello. Palermo, Sizilien, Italien. Anfang der Achtziger fängt dort jemand an zu bauen. Obwohl die Gegend unter Naturschutz steht, erteilt die Gemeinde über dreihundert Baugenehmigungen, und der Hügel füllt sich mit Häusern. Sie sind kaum zu übersehen, der Berg erhebt sich direkt hinter
dem
Strand Palermos. Abends, wenn alle Lichter brennen, gleicht der Hügel den riesigen geschmückten Weihnachtsbäumen, die man im Trentino an den Berghängen sieht.
    Adriano sieht von den Papieren auf. Als er die Geschichte vom Pizzo Sella das erste Mal gehört hat, hielt er sie für einen ganz gewöhnlichen Fall organisierter Kriminalität. Doch dann hat sich der Blickwinkel schwindelerregend verändert, wie bei einer Achterbahnfahrt.
    1985 will jemand den ganzen Immobilienkomplex kaufen. Die Häuser sind noch nicht einmal fertig, das Unternehmen, das mit dem Bau begonnen hat, scheint nicht in der Lage zu sein, sie fertigzustellen. Oder vielleicht will es nicht.
    Da tritt der Gigant ins Bild. Semprinis Anonima Cementi. Ein Jahr zuvor hat sie ihre sizilianische Namensvetterin geschluckt und jetzt kauft sie den ganzen Pizzo Sella, geht zu einer Bank, erhält einen Kredit von rund dreißig Milliarden und macht die Sache fix.
    Auch daran könnte man nichts Besonderes finden. Nur, dass der Eigentümer, der die Baugenehmigungen erhalten hat, nicht irgendjemand ist. Blutsbande sind wichtig und in Sizilien zählen sie doppelt. Und bei einem Geschäft dieser Größenordnung muss man genau hinschauen, wer kauft und wer verkauft.
    Der Verkäufer ist der Schwager von Michele Greco*, genannt der Papst und in jenen Jahren der Chef der Cosa Nostra.
    Alles am helllichten Tag. Unternehmen, die kaufen, Strohmänner, die verkaufen. Wenn überhaupt jemand wirklich kauft und verkauft.
    Seufzend steht Adriano auf.
    Der Regen lässt plötzlich nach, die Feuchtigkeit hat die Luft geschluckt und nimmt einem den Atem. Im Bad spritzt er sich kaltes Wasser ins Gesicht. Er steht da, blickt in den Spiegel, die Augen geschwollen, das Haar, das

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