Bleiernes Schweigen
ist.«
Clara zündet sich eine Zigarette an und kurbelt das Fenster herunter. Sie hat einen schwarzen, völlig verdreckten Fiat Uno. Sie nimmt einen Zug und bläst den Rauch hinaus Richtung Stadion, das sich hinter dem Restaurantparkplatz erhebt, auf dem sie stehen.
Noch hat sie kein Wort gesagt. Vom Largo dell’Esedra aus hat sie ein paar Schritte bis zum Auto gemacht, ist gemächlich losgefahren und jetzt sitzt sie da und raucht, im Schatten der Bäume, der sie vor der glühenden Nachmittagshitze zu schützen versucht.
»Es laufen Ermittlungen«, sagt sie. Und Elena begrüßt das Ende des Schweigens mit einem Räuspern. »Oder besser, es
liefen
. Vor einem Jahr wurden sie unterbrochen, und jetzt sollen sie wieder aufgenommen werden.«
Adriano setzt sich zurecht. Er sitzt vorn, auf dem Beifahrersitz, meine Frau hinten. Sie hat sich nach vorn gebeugt, den Block auf den Schenkeln, den Kuli so fest umklammert, dass die Fingerknöchel weiß hervortreten.
»Was für Ermittlungen?«
Clara übergeht die Frage. Einen Moment lang scheint sie mit sich selbst zu reden.
»Es wird ihnen nicht gelingen, sie wieder aufzunehmen«, fährt sie fort, dann wendet sie sich an meinen Vater: »Sind Sie sicher, dass Sie das wissen wollen?«
»Ja.«
Clara lächelt.
»Natürlich. Ein Journalist. Was für eine blöde Frage von mir.« Sie raucht auf. Zündet sich eine neue Zigarette an. »Na, schön.« Sie seufzt. »Im Juli letzten Jahres hat es fünf Festnahmengegeben. Die Zeitungen haben darüber berichtet, die Razzien wegen manipulierter Auftragsvergaben. Doch ihr wisst nicht, dass das nicht alles ist. Einer der Verhafteten heißt Roberto Silvia, aber hier in Palermo wird er nur Pacino genannt. Er ist Bauunternehmer, ohne Vorstrafen, bis zu seiner Festnahme. Pacino ist nicht irgendwer und das nicht, weil er einem amerikanischen Schauspieler ähnelt, sondern weil er die Aufträge regelt. Und er ist nicht der Einzige. In diesem Ermittlungsbericht steckt viel mehr als das, was an die Öffentlichkeit gekommen ist, sehr viel mehr. Unter anderem auch eure Freunde von der Semprini.«
Elena sieht von ihrem Block auf, den Stift auf dem Papier, ein Schweißtropfen rinnt ihr über die Schläfe.
»Inwiefern?«
Clara sieht Adriano an und lacht.
»Habt ihr’s wirklich noch nicht begriffen, oder wollt ihr es noch mal von mir hören?« Sie drückt die Zigarette aus und wirft den Stummel aus dem Fenster. Ihr Blick wandert zwischen Elena und meinem Vater hin und her, und plötzlich wird sie sehr ernst.
»Ich versuche mal zusammenzufassen, vielleicht wird es dann einfacher. 1978 erhält Michele Grecos Schwester die Baugenehmigung am Pizzo Sella. Die Geschichte kennt ihr ja bereits. Ein paar Jahre später gehen sämtliche Baugrundstücke an die Anonima Cementi. Und die baut. Von der Cosa Nostra an die Semprini-Gruppe.
1982 kauft die Anonima Cementi einen Minderheitenanteil der Italcostruzioni von Rubbino, und als Rubbino wegen Mafia hinter Gitter wandert, kauft sie auch noch ihre sizilianische Namensvetterin. Manche behaupten, der Kauf sei eine Finte, um die Justiz an der Beschlagnahmung von Rubbinos Besitz zu hindern. Alles geht nach Ravenna, und die Gefahr ist gebannt. Von der Cosa Nostra an die Semprini-Gruppe.
Vor vier Jahren reißt sich die Anonima Cementi Steinbrüche bei Massa unter den Nagel. Um sie zu leiten, gründetsie die Smar, die Geschichte ist euch ebenfalls bekannt. Diesmal geht’s von der Semprini-Gruppe an die Cosa Nostra. Aber es kommt noch mehr. Vor zwei Jahren geht es in der Nähe von Caltanissetta hoch her. Die Anonima Cementi eurer romagnolischen Freunde kauft eine Inertstoff-Deponie. Das wird in der Gegend nicht gern gesehen, es gibt schon jemanden, der für Baumaterialien zuständig ist, und die sind zu groß, um sie zu übersehen. Doch da nehmen sich die Corleonesi* der Sache an und erklären, wie der Hase läuft. Alles ist wieder friedlich, der Semprini-Konzern macht seine Arbeit, und manch ein Vögelchen zwitschert von den Dächern, dass er noch nicht einmal Schutzgelder abdrücken muss.
Klar soweit? Jetzt stelle ich euch eine Frage. Wie nennt ihr zwei Unternehmen, die seit zehn Jahren Geschäfte miteinander machen?«
Clara grinst. Sie greift nach dem Zigarettenpäckchen, spielt damit herum, steckt es wieder ein.
»In Caltanissetta ist kürzlich auch jemand verhaftet worden. Er heißt Michelangelo Lamantia und ist ein Mann von Piddu Madonia, der auf der Leiter ziemlich weit oben sitzt. Aber jetzt hat er
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