Bleiernes Schweigen
antwortet.
»Nein, den kenne ich nicht. Kennst du ihn?«
»Sagen wir, ich spiele in einer anderen Mannschaft als er. In einer, die mit weniger zweifelhaften Methoden arbeitet. Doch diesmal verfolgen wir womöglich dasselbe Ziel. Das passiert nur äußerst selten.« Er sieht Elena an. »Zufrieden?«
»Ich will mich damit begnügen.«
»Ein Glück. Es ist trotzdem schön, euch wiederzusehen.«
»Erzähl mir von diesem Bericht.«
»Ich hab’s dir schon gesagt, Adriano. Er ist verschwunden. Zwei Tage nach unserem Treffen habe ich einen Blick hineinwerfen können. Die Rekonstruktion entspricht exakt euren Schilderungen. Die Zigarettenstummel, die Terrasse, die Sichtung, der Name der Baufirma, der euch bekannt sein dürfte, das Eintreffen der anderen beiden. Die Hypothese, es könnte sich um einen perfekten Beobachtungsposten handeln, um die Straße im Blick zu haben und den verschissenen Auslöser zu drücken. Alles passt zusammen. Und dann verschwindet der Bericht. Es ist, als hätte es ihn nie gegeben. Doch glaubt mir, das ist nicht das Seltsamste. Und es ist auch nicht der Grund, weshalb ich hier bin.«
Giuseppe winkt die Kellnerin heran und bestellt einen Cappuccino, zwei Espressi und ein paar Schokoladenkekse. Kaum hat das Mädchen den Teller abgestellt, angelt er sich einen herunter, nippt am Cappuccinoschaum und lächelt leise. Genauso nebenbei, wie er die Rechnung zahlt, nimmt er das Gespräch wieder auf.
»Es wird eine Verhaftung geben. Spätestens in ein paar Tagen. Die Anklage wird mehrfacher Mord lauten.«
Elena spielt mit der Kappe ihres Kulis.
»Wer?«
»Er heißt Rosario Curatolo, doch der Name ist völlig unwichtig. Er wird sowieso bald kein Geheimnis mehr sein. Ihr könnt ihn genausogut ausspielen. Nun, wie ihr bereits wisst, war das Auto, in dem sich der Sprengstoff befand, ein Fiat 126. Einem ersten Gutachten zufolge befanden sich darin rund hundert Kilo Semtex. T4, TNT, Nitropenta, ganz schön wilde Mischung. Das Auto wurde nicht gefunden. Nur ein Motor und ein Nummernschild. Sie sind drauf gekommen, weil der Motor zu keinem anderen Auto gehörte. Und das Nummernschild auch nicht. Der Wagen war am 10. Juli gestohlen worden, das Nummernschild ebenfalls, allerdings aus einer Werkstatt. Die hat den Diebstahl am 20. gemeldet. Einen Tag nach der Bombe. Um mögliche Kontrollen zu vermeiden, die zu dem mit Sprengstoff bepackten Auto hätten führen können. Der Autodieb ist ein unfähiger Kleinkrimineller. Er wurde vor drei Wochen zusammen mit zwei anderen verhaftet. Er ist abgehört worden, als er von der Vergewaltigung einer Frau sprach. Eine Weile hat er keinen Mucks getan. Dann hat er eine Kehrtwendung gemacht, angefangen vom Attentat zu reden, den Autodiebstahl gestanden und Curatolos Namen genannt. Er sagt, er hätte den 126er auf dessen Anweisung gestohlen. Und jetzt kommt das Schönste.«
Giuseppe isst einen Keks. Er kostet die Spannung aus, wischt sich mit einer Papierserviette über die Lippen und redet weiter.
»Curatolo ist kein Mafioso. Er hat kleinere Vorstrafen wegen bewaffneter Raubüberfälle. Mitte der Achtziger ist er wegen Hehlerei und Waffenbesitzes eingewandert. Dann ist er zu Drogen übergewechselt. Er ist Dealer. In seinem Viertel weiß das jeder.«
Elena sieht von ihrem Notizbuch auf.
»Und glauben die wirklich, so einer ist es gewesen?«
Giuseppe unterdrückt mühsam ein Lachen, den Mund voller Cappuccino.
»Warte, lass mich fertig erzählen. Rosario Curatolo ist mit der Schwester eines Mannes von Giovanni Romanos Leuten verheiratet, nämlich des Bezirkschefs von Santa Maria del Gesù. Könnt ihr euch denken, in welche Richtung die Ermittlungen gehen?«
»Alles Schwachsinn«, wiederholt Elena, und Adriano sieht sie wortlos an. Bedächtig knabbert er an einem Keks, trinkt einen Schluck Kaffee.
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, hebt er an. »Entweder ist tatsächlich alles Schwachsinn, wie Elena behauptet, oder man ist ihnen draufgekommen, weil sie mit einer derart heiklen Aufgabe drei Volltrottel betraut haben, die sich nach dem Diebstahl des Wagens, mit dem Borsellino in die Luft gejagt wurde, wegen Vergewaltigung haben schnappen lassen. Und kaum waren sie hinter Gittern, haben sie auch schon ausgepackt.«
Meine Frau grinst spöttisch.
»Und dann behaupten sie, den Befehl von einem Cosa-Nostra-Schwager erhalten zu haben, der aber trotzdem nicht mehr ist als ein kleiner Drogendealer.« Er macht eine Pause. »Klingt nach höchsten Mafiakreisen, hm?«
Elena lässt
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