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Bleischwer

Bleischwer

Titel: Bleischwer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Wünsche
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Sicherheit, dass der
Komplize von damals die Beute beiseite geschafft hat.« Sie stockte. »Warum hat
man dich eigentlich nie als Mittäter verdächtigt?«, fiel ihr plötzlich ein.
    »Kaum
einer wusste, dass Stefan und ich zu der Zeit Kontakt hatten. Der bewegte sich
in ganz anderen Kreisen. Alle hochkriminell, dick im Drogenhandel und in der
Prostitution. Ich war nur ein kleiner Fisch, den keiner kannte. Die Bullen sind
gar nicht auf die Idee gekommen, bei mir anzuklopfen.«
    »Aber
Melanie hat erzählt, dass sie dich damals zusammen mit Stefan gesehen hat.«
    »Melanie
Pütz, meinst du, ja?« Michael begann die Berge an Papier zu sortieren und in
kleinen Haufen um sich herum zu gruppieren. »Klar, die kannte mich, weil ich
ein paar Mal zusammen mit Stefan in ihrem Elternhaus war, um Sonja zu
besuchen.« Einen Moment hielt er in seinen geschäftigen Bewegungen inne. »Zu
der Zeit war ich total verschossen in Sonja«, sagte er dann versonnen. »Ich
konnte nicht dagegen an, obwohl sie doch Stefans Braut war. Allerdings hab ich
irgendwann gemerkt, was für eine miese Schlampe sie war. Sie hat ihn nur
ausgenutzt, nach Strich und Faden verarscht. Und Stefan hat nicht gerafft, wie
berechnend und kaltblütig sie war.«
    Er
griff nach einem Stoß Papiere, hielt ihn senkrecht mit beiden Händen und
klopfte mit den Kanten auf den Boden, sodass sich die Blätter ordentlich
ausrichteten.
    »Dann
musst du mich wohl auch für eine miese Schlampe halten«, wagte sich Jule
zaghaft vor. »So, wie ich zur Zeit meinen Mann hintergehe und verarsche.«
    Michael
guckte verblüfft. Seine Augen funkelten geradezu türkisgrün im Schein der
Schreibtischlampe. »Nein«, sagte er schließlich kopfschüttelnd. »Du bist weder
berechnend noch kaltblütig. Du suchst dir nur die falschen Männer aus. Es
scheint fast so, als wolltest du dich damit für irgendwas bestrafen. Als
müsstest du eine schreckliche Schuld sühnen.« Er lächelte entschuldigend.
»Glaub mir, mit Schuld kenne ich mich aus. Die rieche ich von Weitem. Deine
hängt wie eine Dunstglocke über dir wie der Smog über Bangkok. Ja, ich glaube,
du strafst dich selbst mit einem Spießer wie Theisen. Bloß kannst du das nicht
ewig durchhalten. Und brichst irgendwann aus.«
    »Du
spinnst!«, murmelte Jule, obwohl sie ahnte, dass Micha den Nagel auf den Kopf
getroffen hatte. Es schmerzte. Plötzlich verspürte sie das Bedürfnis, ihm
genauso wehzutun. »Aber wenn du recht hast, dann waren die zehn Jahre mit Jörg
vielleicht nicht Strafe genug. Und wegen der besonderen Schwere der Schuld
musste ich noch einen Versagertypen wie dich hinterher schieben.«
    Michaels
Blick verschleierte sich, dennoch hielt er dem ihrem stand.
    »Mag
sein, vielleicht«, entgegnete er gleichmütig. »Aber vielleicht hast du auch
bloß erkannt, wo du hin gehörst. An meine Seite.« Damit ging er auf die Knie
und erhob sich. »Komm, Jule. Du kopierst das Zeug hier, und ich räume das Büro
deines Mannes auf. Er muss ja nicht gleich merken, dass wir ihm auf die
Schliche gekommen sind.«
    Er
begann damit, die leeren Plastikschachteln zurück in den Beutel zu stopfen.
Jule starrte unschlüssig auf die Papierstapel. Was war wichtig, was unwichtig?
Egal. Sie trug einfach alles ins Entree der Kanzlei und warf den Kopierer an.
    Eine
Viertelstunde später stand der Aktenordner wieder völlig unschuldig zwischen
den anderen im obersten Fach von Jörgs Regal. Das Büro machte einen
blitzsauberen, unberührten Eindruck. Die Schreibtischlampe war wieder an Ort
und Stelle. Ausgeschaltet natürlich. Ihr Freund hatte ganze Arbeit geleistet.
    »Micha,
du verstehst wirklich was von Ordnung«, sagte Jule bewundernd und hatte ihr
Streitgespräch von eben bereits gekonnt verdrängt. »Es sieht aus, als wären wir
nie hier gewesen.«
    »Im Bau
haben alle gedacht, ich hätte ’ne Zwangsneurose«, gestand der so Gelobte. »Die
haben nicht gerafft, dass du nur das Chaos in deinem Innern in den Griff
kriegst, wenn es außen Ordnung und klare Linien gibt.« Er drehte sich um und
lächelte Jule an. »Komm, lass uns von hier abhauen. Nicht, dass dein Flaschen
schwingender Rechtsverdreher noch mitkriegt, dass du außer Haus warst.«
    Jule
blieb wie angewurzelt stehen. Das Mondlicht schien in Jörgs Büro und übergoss
alle Flächen und ihre beiden Gesichter mit silbernem Glanz. Die Szene wirkte
unecht, die Wirklichkeit Lichtjahre entfernt.
    »Ich
soll zu Jörg zurück?«, fragte sie entgeistert.
    »Klar,
was sonst? Wie sollen wir sonst

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