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Bleischwer

Bleischwer

Titel: Bleischwer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Wünsche
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die Skatrunde überführen? Denk dran, es geht
darum, Stefans Mörder zu entlarven.«
    Jule
war entsetzt. Wie sollte sie es mit ihrem Mann aushalten, jetzt, wo sie all das
über ihn und seine Freunde herausgefunden hatte? Andererseits, Micha hatte
natürlich recht.
    »Und
was ist mit dir? Wo willst du dich verstecken?«, wollte sie schließlich
skeptisch wissen.
    Er
zuckte mit den Achseln, die Mülltüte baumelte weiß und bauschig wie ein kleines
Gespenst an seiner Hand. »Keine Ahnung. Werd schon was finden.« Entschlossen
wandte er sich dem dunklen Flur zu.
    »Moment.
Ich hab eine Idee.« Jule berührte ihn leicht am Arm. Sofort blieb er stehen und
sah sie erwartungsvoll an. Als sie ihm ihren Plan geschildert hatte, nickte er
einvernehmlich.
    »Okay,
so machen wir es.«
     
    Micha wartete im Wagen, während
Jule klingelte. Melanies Gesicht glänzte im Schein der Vorgartenbeleuchtung wie
dunkles Leder. Der rosafarbene Bademantel, den sie umgeworfen hatte, und das
wirr abstehende Haar ließen sie aussehen wie einen verschreckten Flamingo. Jule
fand den Anblick anrührend. Obwohl sie sich kaum kannten, hatte sie diese Frau
schon in ihr Herz geschlossen.
    »Jule!«
Melanie Pütz-Coenen reagierte auf den nächtlichen Besuch gleichermaßen
verblüfft wie besorgt. »Was ist passiert?«
    »Melanie,
ist dein Mann zu Hause oder bist du allein?«
    »Allein
natürlich. Mit dem Scheißkerl rechne ich frühestens nächste Woche«, spuckte die
Kosmetikerin aus. »Warum?«
    Jule
atmete erleichtert auf. Die erste Hürde war genommen. »Hättest du etwas gegen
einen Übernachtungsgast, der nicht weiß, wohin er sonst soll?«
    Melanie
bekam runde Augen. Ihre Hände flatterten wie kleine Vögel in die Höhe. »Michael
Faßbinder?«, fragte sie. »Du hast ihn gefunden?«
    Also
wurde Micha in einem der verwaisten Kinderzimmer des Reihenhauses einquartiert.
Außerdem erhielt er eine weitere fachkundige Behandlung seiner Stirnverletzung.
    Jule
flitzte nach Hause, parkte Jörgs Firmenwagen an derselben Stelle, wo er vor
zwei Stunden gestanden hatte, und schlich sich ins Haus. Lautes Gelächter aus
dem Wohnzimmer verriet ihr, dass ihre Abwesenheit tatsächlich unbemerkt
geblieben war. Hastig kleidete sie sich aus und legte sich mit klopfendem
Herzen auf ihre Seite des Ehebettes. Verborgen unter der dicken, flauschigen
Bettdecke fiel sie sofort in tiefen Schlaf.
    Sie
träumte.
    »Du
bist schuld«, hörte sie eine verzweifelte Stimme. »Hörst du, du bist schuld.«
Ein großes, blasses Gesicht mit erdbeerroten, verschmierten Lippen und vom
Weinen zugeschwollenen Augen kam näher und näher. Eine Nase mit riesigen,
schwarzen Nüstern, aus denen es tropfte, bohrte sich fast in ihren Mund. Starke
Hände packten ihre schmalen Oberarme und schüttelten sie. »Nur wegen dir ist er
weg. Du bist schuld, wenn ich nie wieder glücklich werde!« Heftiges Schluchzen
unterbrach die Litanei.
    Die
kleine Jule aber – irgendwie wusste sie genau, dass sie sich in einer Zeit befand,
in der sie für die Erwachsenen ›die kleine Jule‹ gewesen war – fühlte
sich schlecht. Ein dicker, schwerer, galliger Klumpen bildete sich in ihrem
Bauch und zog sie mit seinem ganzen Gewicht nach unten. Schuld, dachte sie, ich
bin schuld. Kein Glück, nur Schuld.
     
    Sie erwachte von einem lauten
Schnarchen neben ihr. Jörg schnarchte nur, wenn er zu viel getrunken hatte.
Normalerweise schlief er völlig lautlos, sodass sie manches Mal in einem Anflug
des Schreckens glaubte, er sei im Schlaf gestorben.
    Skat,
ach ja, gestern war die Skatrunde bei ihnen im Haus gewesen. Also war es
verständlich, dass Jörg zu viel Alkohol konsumiert hatte. Ganz in Ordnung,
oder? Jule öffnete mit dem diffusen Gefühl, dass etwas absolut nicht in Ordnung
war, blinzelnd die Augen. Die grelle Fröhlichkeit der Frühlingssonne ließ sie
die Lider sofort wieder zukneifen. Zuerst begriff sie nicht, was es war, das
sie beunruhigte; sie bekam ihr Unbehagen nicht zu fassen.
    Dann
fiel ihr alles schlagartig ein. Jörg hatte Micha brutal niedergeschlagen und an
die Erft verschleppt. Jörg verwahrte in seiner Kanzlei eine Akte, in der er
jede Menge Material über den Euskirchener Bankraub und den Verbleib der Beute
gesammelt hatte. Jörg, Leo und Peter jagten hinter dem Geld und vor allem einem
Haufen an Diamanten hinterher wie der Teufel hinter der armen Seele. Und sie
war schuld. Irgendwie war sie an allem schuld. Weil sie sich den falschen Mann
ausgesucht hatte, weil sie ihren Papa von zu Hause

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