Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
Lachen. Schnell fuhr er mit diesen großen Händen über seinen perfekten Mund und wischte es wieder aus seinem Gesicht. „Doch, ich denke, in gewisser Weise bin ich das wohl.“
Irgendwie schien eine tiefere Bedeutung hinter seinen Worten zu stecken, die mir jedoch verborgen blieb. Bevor ich nachhaken konnte, schürzte Noah nachdenklich seine Lippen und lenkte mich damit so sehr ab, dass ich meinen Gedankengang von jetzt auf gleich verlor.
„Blau mag ich. Aber eher dunkelblau“, sagte er übergangslos.
Ich deutete auf den dunklen Holzboden. „Wird vielleicht zu düster.“
Das Wort allein ließ ihn zusammenzucken. Sein Ton wandelte sich augenblicklich. „Auf keinen Fall düster . Es muss hell sein!“, stellte er so bestimmt und energisch klar, dass ich sofort nickte.
Und dann sah ich es plötzlich vo r mir: Die Wände seines Zimmers in einem sanften Cremeton; einzelne Akzente in dunkelblau. Ich beschrieb Noah meine Idee. „Du könntest Bilder aufhängen oder Poster, denen du dann Rahmen in Dunkelblau verpasst. Deine Vorhänge könnten dunkelblau sein – und schau, dein Schreibtischstuhl ist es schon.“
Noah sah sich um. „Wir könnten die Fensterleibungen absetzen“, schlug er vor, jetzt wieder vollkommen ruhig.
Ich nickte euphorisch und legte meine Hand auf seine. „Ja, genau! Hast du nicht Lust das zu tun, Noah? Deinem Zimmer eine eigene Note zu geben? Eine, in der du dich wiedererkennst?“ In diesem Moment wollte ich nichts mehr, als mit ihm zum Baumarkt zu fahren und Farbe zu kaufen.
Noah blickte schmunzelnd auf unsere Hände hinab. Zaghaft fuhr er mit seinem Daumen über meinen Handrücken. „Doch, ich denke, dazu habe ich Lust. ... Wollen wir zum Baumarkt fahren und Farbe kaufen?“
Manchmal fragte ich mich, ob er meine Gedanken lesen konnte. Anstelle einer Antwort sprang ich auf und zerrte nickend an seiner Hand.
Himmel! Wer ist dieser Junge, dass er die Lucy in mir weckt?
Noah lachte auf – nur für einen Augenblick, bevor er sich auf die Unterlippe biss. Dann erhob er sich in aller Ruhe und ging zu seinem Schreibtisch. Aus einer Cola-Dose, deren abgetrennter Deckel nur lose auflag, entnahm er einige große Geldscheine. „Komm!“, sagte er schlicht und streckte mir seine Hand entgegen.
„Musst du Joe und Marie nicht um Erlaubnis bitten?“, fragte ich, als wir bereits im Auto saßen und Noah rückwärts aus der Einfahrt setzte. Plötzlich erschien es mir dreist, einfach loszufahren und Farbe zu kaufen, ohne die beiden in unsere Pläne einzuweihen.
Aber Noah schüttelte den Kopf, noch ehe ich meine Frage vollständig ausgesprochen hatte. „Die sind v ollkommen schmerzfrei, glaub mir. Mit Lucy als Tochter müssen sie das auch sein. Seitdem ich bei ihnen bin, hat sie ihr Zimmer gefühlte fünfzigmal umgestaltet. ... Und Adrians fast genauso oft, weil der sich nie wehrt.“
Ich lachte. „Das kann ich mir sehr gut vorstellen, ja.“
Noah schenkte mir ein kurzes Lächeln, dann wandelte sich sein Blick. „Emily ... ich will nicht spießig wirken, aber ... schnallst du dich bitte an?“
Ich sah an mir herab. Tatsächl ich, vor lauter Begeisterung hatte ich vergessen, meinen Gurt anzulegen. Ich murmelte ein schnelles „Natürlich!“ und holte mein Versäumnis nach. Noah drehte das Radio etwas lauter, als die ersten Takte von Bruno Marsʼ Just the way you are erklangen.
Ich mo chte das Lied sehr und summte die Melodie leise mit. Diese friedliche und nahezu entspannte Atmosphäre zwischen uns war neu. Ich wollte sie nie mehr missen. Sie befriedigte mein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis und verschaffte mir eine unsagbar tiefe innere Ruhe. Mit Noah fühlte ich mich genauso wie damals, an manch einem Novembertag meiner Kindheit in Manchester. Wenn die Welt um unser Backsteinhaus im Sturm versunken war und Jane mir einen heißen Kakao mit Sahne zubereitet hatte. Wir saßen auf einer dicken Decke vor dem Fenster, beobachteten den Regen, der mit voller Kraft gegen die Scheiben trommelte, und schlürften in aller Gemütlichkeit unseren Kakao.
Mit Noah erlebte ich das Gefühl von damals neu. Und in diesem Moment wurde mir bewusst, dass es das Gefühl des Daheimseins war.
Der einzige Baumarkt im Gewerbegebiet vor Little Rose war recht übersichtlich ausgestattet. Im Gang Farben und Tapeten fanden wir eine Auswahl vor, die uns – gelinde gesagt – nicht gerade überforderte.
Noah, der eine Weile lang nahezu regungslos neben mir gestanden und auf die Farbpaletten gestarrt
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