Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
Erinnerungsfetzen, die ich ihm geben konnte.
Der Gedanke an Noah ließ mich beinahe verzweifeln. Wie mochte er sich fühlen? Wo war er? War er überhaupt in der Lage, mich auf diese Distanz zu hören?
So viele unbeantwortete Fragen, die meine Panik weiter schürten. Und nur eine Sache, die inmitten all dieser Ungewissheiten für mich feststand: Noah wusste inzwischen, was geschehen war. Er wusste, dass sie mich entführt hatten und war versessen darauf, mich möglichst schnell zu finden. Ich konnte ihn vor mir sehen, wie er seine Haare raufte und büschelweise an ihnen riss. Jede Sekunde, die ohne Kontakt zu mir verstrich, ließ ihn vermutlich halb wahnsinnig werden.
Also los!
Da ich nicht wusste, wie weit er das Geschehen verfolgt hatte, schien es mir die beste Lösung zu sein, meine Augen wieder zu schließen und mich ganz und gar darauf zu konzentrieren, ihm einfach alles Wesentliche noch einmal mitzuteilen – selbst wenn dieses Vorgehen einige Wiederholungen mit sich brachte. Die Bilder konnte ich aus meinen Erinnerungen laden, wie damals, als ich ihm unser Haus in Manchester gezeigt hatte.
Während mein Körper also nach wie vor teils schlaff und schwer, dann wieder zitternd und verkrampft auf diesem Unterbau aus Holzkisten lag und den Schock und die Betäubung auf seine Weise verarbeitete, lief mein Verstand schon wieder auf Hochtouren.
„Noah, ich bin wach. Gott, ich ho ffe so sehr, dass du mich hörst. Bitte, bitte, hör mich! ... Also ...“
XXXII I.
Emily wehrte sich, es konnte nicht anders sein. Ihr Unterbewusstsein wehrte sich gegen diese unfreiwillige Betäubung, kämpfte unbeugsam dagegen an. Immer wieder empfing ich winzige Gedankensequenzen ... neblig, verschwommen und viel zu kurz, als dass ich sie hätte fassen können. Es machte mich verrückt, nicht zu wissen wo sie war.
Seit der Party bei uns zu Hause war es das erste Mal überhaupt, dass ich keine Ahnung hatte, wo Emily war. Selbst davor schon, in der Schule, hatte ich stets nach ihr Ausschau gehalten, sie immerzu geortet. So still und unscheinbar sie auch gewesen sein mochte, sie hatte dennoch vom ersten Tag an meine Neugier geweckt.
Mittlerweile saß ich in einem der gelben Taxis und fuhr durch den Midtown-Tunnel, den Emily vor exakt 24 Minuten passiert hatte.
24 Minuten, bei einem Tempo wie diesem, das ergab einen möglichen Radius von ... Nein, so kam ich nicht weiter!
Ich wusste schließlich nicht einmal, ob sie inzwischen angekommen waren oder ob sie noch immer fuhren.
Der ahnungs lose Taxifahrer pfiff vor sich hin und plauderte von Zeit zu Zeit in seinem mexikanischen Akzent auf mich ein. Sinnfreies Geplänkel, auf das ich nicht ein einziges Mal einging, was ihn auch nicht weiter zu stören schien. Er hatte nur ein wenig verhalten geschaut, als ich mit einem „Durch den Midtown–Tunnel!“ zu ihm eingestiegen war.
„Okay . ... Und wie lautet ihr Ziel?“
„Ähm ... Fahren Sie durch den Tunnel, dahinter muss ich mich umsehen.“
„Okaaayyy?!?“
Seitdem quasselte er ununterbrochen davon, wie er sich gefühlt hatte, als er vor fünfzehn Jahren das erste Mal nach New York gekommen war. Dass er sich die Straßenbezeichnungen damals auch nicht hätte merken können. Tja, und jetzt wäre er schon seit sechs Jahren Taxifahrer ... und so weiter.
Er war freundlich, sicher, aber diese Art von Smalltalk war das Letzte, was ich in diesen Minuten brauchte. Also blendete ich ihn aus und lehnte meine Schläfe gegen das kühle Seitenfenster, bis wir den Tunnel passiert hatten. Keine weiteren Bilder, keine Geräusche, keine Gefühlsregungen erreichten mich. Ich war blind, taub, gefühllos – genau wie Em selbst, vermutlich.
„Also, wohin ? Abfahrt oder Interstate?“, fragte der Mexikaner schließlich. Verdutzt sah ich mich um; der Tunnel lag hinter uns. „Nein, bitte fahren Sie ab und lassen mich raus.“
„ Aber ... wo wollen Sie denn hin? Ich kann Sie doch fahren.“
„Nein, ich gehe zu Fuß weiter, danke.“
Er zuckte mit den Schultern, nahm die Ausfahrt und fuhr gerade so weit, bis wir eine Straße mit Bürgersteig erreichten. Wir hielten am Rande eines Industriegebiets, wie es schien – umgeben von Firmen und Fabriken. Der Verkehr hier war sehr überschaubar, die Bürgersteige menschenleer und verschmutzt. Der kräftige Wind blies Plastiktüten, Getränkedosen und Pappstücke von einer auf die andere Straßenseite. Eine wahrhaft trostlose Gegend.
Gerade als ich dem Fahrer eine 50-Dollar-Note gereicht hatte und
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