Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
tiefer lag als zuvor. Sie sah nun senkrecht nach oben – aus dem Seitenfenster des Wagens – auf ein hell verkleidetes Haus. Das Auto stand, vielleicht an einer Ampel, denn der Motor vibrierte und surrte leicht unter ihrem schlaffen Körper, während ihr Blick auf das Haus sekundenlang unverändert blieb. Wie tapfer sie war. Wie schwach ich mich gegen sie fühlte.
Im Hintergrund hörte ich zwei dumpfe Stimmen, konnte aber nicht heraus filtern, worüber die Männer so aufgeregt diskutierten. Dort lag Emilys Fokus also nicht; sie wollte mir dieses Haus zeigen.
Aber ... „Was, Baby? Was meinst du?“
Und dann s ah ich es, das Schild am Giebel des Hauses. Die weiße Schrift konnte ich nicht lesen, die Telefonnummer, die darunter stand, hingegen schon – bis auf die letzte Zahl, die vom Holm des Seitenfensters verdeckt wurde. Der Wagen fuhr erneut an und zog Ems Konzentration mit sich. Sofort brach der Kontakt ab. Dieses Mal zögerte ich keine Sekunde; endlich konnte ich etwas tun. Also griff ich nach meinem Handy und wählte die Nummer des Werbeschildes.
Als letzte Zahl probierte ich die 0 : Kein Anschluss unter dieser Nummer. Also die 1: Nach dem fünften Freizeichen meldete sich eine alte Frau mit gebrechlicher Stimme, die ich schnell wegdrückte und mich in Gedanken bei ihr entschuldigte.
Die 2: Ein etwa dreijähriges Kleinkind.
Die 3: Besetzt.
Die 4: Ewiges Rufen, das meine Geduld irgendwann überstrapazierte und mich auflegen ließ ...
Natürlich war es die gottverdammte 9, die zur Vervollständigung dieser scheiß Rufnummer fehlte!!!
„Noah, dieses ewige Fluchen ...“
„ Michael, ernsthaft? Jetzt?!“
„Schon gut , ich bin still.“
„Danke!“
Die 9: Das Freizeichen erklang nur einmal, dann meldete sich eine freundliche Frauenstimme: „Brooklyn Immobilien, hallo!“
„Ha, dem Himmel sei Dank! ... Ähm ...“
In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich nicht einmal den blassesten Schimmer hatte, was ich ihr erzählen sollte.
„... Ehrlich gesagt habe ich nicht die leiseste Ahnung, wie ich Sie dazu bringen soll, mir zu helfen“, hörte ich mich auch schon sagen.
„Nun, teilen Sie mir doch einfach mit, welche Immobilie Ihr Interesse geweckt hat, und ich sehe für Sie nach, was sich tun lässt“, schlug die Frau am anderen Ende der Leitung vor.
„ Tja, wenn ich das wüsste.“
„Wie meinen Sie das?“ M eine Idee kam mit ihrem verständnislosen Ton.
„Habe n Sie sehr viele Immobilien im Angebot?“
„ Das ist eine ungewöhnliche Frage. Etwa 80, warum?“
„W eil ich Ihnen weder die Straße, noch den Stadtteil nennen kann“, gestand ich. „Ich bin fremd hier, erst gestern angekommen. Vorhin fuhr ich mit einem Taxi durch die Straßen, und Ihre Nummer war leider alles, was ich mir auf die Schnelle merken konnte. Ich würde Ihnen das Haus aber gerne beschreiben.“
Sie lachte, schien mir die haarsträubende Story tatsächlich abzukaufen. „Okay, ich versuche mein Bestes.“
„ Wirklich? Das ist toll, danke! Also, das Haus war mit hellen Tafeln verkleidet, zumindest die oberen beiden Stockwerke. Darunter ... rötliche Backsteine.“
„Hm, da s ist nicht sehr aussagekräftig“, befand die Dame.
„Ihr Schild hing am Giebel .“
„Das tun sie immer. “
„Oh! Okay , warten Sie. Das Dach hatte eine eigenartige Form. Wie ... ja, so ähnlich wie die Zinnen einer Burg. Hoch, runter, hoch ... Wissen Sie, was ich meine?“
Sie räusperte sich. „Nun, ich denke schon, aber so genau ...“ Sie seufzte. „Einen Moment bitte, ich hole den Katalog.“
Mehrere Sekunden verstrichen still, dann war sie zurück. „So, mal sehen. ... Überlegen Sie ruhig weiter, ob Ihnen sonst noch was ins Auge gestochen ist, während ich mir die Exposés ansehe. Ein paar zusätzliche Merkmale könnten nicht schaden.“
„Okay.“ Ich hörte, wie sie blätterte. Nie würde sie erahnen können, wie dankbar ich für ihre Geduld war. Schnell schloss ich meine Augen und rief Emilys Bild des Hauses noch einmal ab. „Die Balkone“, sagte ich schließlich.
„ Was war damit?“
„Sie lagen nicht übereinander, sondern schräg versetzt zueinander“, erklärte ich. „Also, der des zweiten Obergeschosses war rechts, der untere weiter links. Sie waren durch eine Treppe verbunden. Die Geländer hatten diese altmodisch gedrehten, gusseisernen Stäbe.“
„ Wow! Dafür, dass Sie nur kurz mit einem Taxi an dem Objekt vorbeigefahren sind und sich nicht mal die Adresse merken konnten, erinnern Sie sich
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