Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
aber sonst an ziemlich viele Details. Was hat Ihnen denn so gefallen, dass es unbedingt diese Immobilie sein soll?“
„Ähm, die Lage?“ Nur als Frage getarnt kam diese Lüge über meine Lippen. Überhaupt: Warum lässt du mich lügen, Mike?
„ Mache ich nicht. Alle deine Aussagen waren wahr, stell dir vor. Dass du fremd in New York bist und die Stadt im Taxi durchkreuzt hast; dass du nur die Telefonnummer der Maklerin, nicht aber die Adresse der Immobilie kennst. Alles wahr. ... Nur der Kontext ... nun ja.“
D ie Maklerin schwieg für einige Sekunden. Als sie weitersprach, hörte ich das ungläubige Lächeln in ihrer Stimme. „Die Lage?“, hakte sie nach, fuhr aber Gott sei Dank auch ohne Reaktion von mir fort. „Nun, ich denke, ich weiß jetzt, welches Haus Sie so beeindruckt hat, Sir. Könnte es in der Bushwick Avenue gewesen sein?“
„Wie? Bushwick?“
„Ja, genau, 27 Bushwick Avenue . Ihre Beschreibung trifft eigentlich nur auf dieses Objekt zu. Obwohl, die Lage ... Wir haben bessere Adressen, wissen Sie?“
Ich atmete tief durch. 27 Bushwick Avenue , so hieß mein nächstes Etappenziel. „Gute Frau, diese Adresse ist Gold für mich wert, glauben Sie mir. Ich danke Ihnen.“
„Sir ...“, war das Letzte, was ich hörte, bevor ich auflegte.
I n Windeseile tippte ich die Adresse in mein Smartphone ein. Meine Finger glitten so schnell über die Tasten auf dem Display, dass ein normaler Mensch die Bewegungen kaum hätte erfassen können. Mit 11,4 Meilen berechnete der Routenplaner die Entfernung, 23 Minuten Fahrtzeit.
Bingo, das kam exakt hin.
Wieder prägte ich mir den Weg ein, wieder spulte sich die Strecke vor meinem geistigen Auge ab, wieder rannte ich wie ferngesteuert los. Es war nach wie vor zu hell, als dass ich von meiner Fähigkeit, mich in Lichtgeschwindigkeit zu bewegen, hätte Gebrauch machen können. Allerdings verschlechterten sich die Lichtverhältnisse innerhalb der folgenden Minuten rapide.
So schnell ich konnte, rannte ich durch die tristen Straßen. Rennen war gut, es verschaffte mir einen klaren Kopf und das Gefühl, nicht tatenlos abzuwarten. Und manchmal, nur manchmal, hatte mein störrischer Herzschlag auch etwas Gutes für sich. Körperlich zu ermüden war mir praktisch unmöglich. Nur meine Beine schmerzten mit der Zeit. Aber auch das war ein gutes Zeichen, kam einer Bestätigung gleich. Ich bewegte mich ... und zwar in die richtige Richtung – Emily entgegen. Beobachtete, wie sich die Gegend um mich herum veränderte, ließ das Gewerbegebiet hinter mir zurück und lief durch gepflegtere Straßen eines engbebauten Vorstadtgebiets.
Ich rannte noch nicht lange, als mich neue Bilder von Emily erreichten. Und in diesem Moment geschah etwas Eigenartiges: Eigentlich hätte ich mich auf den mir fremden Weg konzentrieren müssen, was ich jedoch nicht länger tat, sobald ich durch Ems Augen sah. Vermutlich hätte ich meinen Lauf unterbrochen oder zumindest verlangsamt, wenn mein Körper nicht beschlossen hätte ... ja, in gewisser Weise auf Autopilot umzuschalten und beinahe mechanisch weiterzulaufen. Ich verschwendete keinen bewussten Gedanken mehr an das Hier und Jetzt, lief aber dennoch in ungebrochen rasantem Tempo weiter.
„Noah ...“ Emilys Bilder flimmerten längst nicht mehr so stark wie zuvor, wirkten aber seltsam verschwommen. Und als ich ihre Gefühle empfing, die wie immer etwas zeitverzögert aufschlossen, wusste ich auch, warum: Emily weinte. Sofort stieg Wut in mir auf.
„Was ist passiert, Süße? Sag es mir!“
Ich hörte ihr leises, unterdrücktes Schluchzen und fühlte ihre Panik, die sie – schwach, wie sie war – kaum unterdrücken konnte. Sie lag nicht mehr in dem Wagen, sondern in einer riesigen leeren Fabrikhalle, Lagerhalle ... was auch immer. Rote Backsteinwände unter schmutzigem, bröckelnden Putz, rostige Rohre, eine hohe Decke, kleine Fenster, die zu hoch und viel zu verschmutzt waren, als dass Emily hätte hindurchblicken können.
„Eine Lagerhalle, Noah “, erklärte sie. Der Klang ihrer imaginären Stimme und die damit verbundene Erkenntnis ließen mich inmitten meines ungebremsten Laufes erzittern. Emily setzte all ihre Hoffnungen auf mich, rief nach mir und bat mich um Hilfe. Sie brauchte mich.
„Ich weiß, Em, ich weiß. Nicht mehr lange, dann bin ich da, versprochen.“ Ihre Bilder wichen erneut tiefer Dunkelheit. Ich fürchtete, sie wäre mir wieder entglitten, als ich ihre Stimme noch einmal hörte: „Noah, ich bin wach.
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