Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
entschieden hast, okay?“
„Ja. Aber bis dahin ...“
„Schon klar, sage ich kein Wort. ... Noah?“
„Hm? “
„Pass auf dich auf!“
„Okay. Bis dann!“ Damit legte ich auf. Sofort rückten Emilys Gedanken wieder in den Vordergrund. Kein einziger war mir in der Zwischenzeit entgangen. Ich war ein Musterbeispiel für Multitasking-Fähigkeiten, so viel stand fest.
Inzwischen hatte sich der vor wenigen Minuten noch dämmrige Himmel über mir mit tiefem Schwarz vollgesogen, wie ein Löschblatt mit Tinte. Nur die Wolken setzten sich in einem nebligen Grau ab. Nun, zumindest wusste ich, dass es für Menschenaugen so aussah. Für mich waren sie ockerfarben und der Himmel rostbraun.
Ich lief an einem Spielplatz vorbei; die metallenen Ketten der Schaukeln quietschten in ihren Ösen. Das Geräusch ließ mich innehalten und aufhorchen. Dass es so laut durch die einsetzende Nacht hallte, lag an der rundum herrschenden Stille. Die Straßen wirkten wie ausgestorben, sie waren menschenleer. Nur dann und wann fuhr ein Auto an mir vorbei.
Ich begab mich unter die schützenden Äste des Laubbaumes, der inmitten der Spielgeräte aus dem Boden rankte. Konzentriert kniff ich die Augen zusammen und suchte nach einem ansprechenden Ziel. In etwa hundert Metern Entfernung standen einige Müllcontainer an der Straße. Den vordersten fixierte ich, schloss die Augen und stellte mir vor, ich könnte in seinem Windschatten auftauchen ... was den Bruchteil einer Sekunde später auch geschah.
Von meinem Versteck aus erspähte ich einen Mauervorsprung, der mein nächstes Ziel darstellte. Und so hangelte ich mich weiter, über nur zwanzig Stationen und geschätzte anderthalb Minuten, bis ich unmittelbar vor dem hell verkleideten Haus stand, an dessen Giebel das Schild des Immobilienmaklerbüros prangte. 27 Bushwick Avenue.
Für den Bruchteil einer Sekunde überkam mich ein euphorisches Gefühl. Nun konnte es nicht mehr weit sein, auch wenn mir von hier aus jede weitere Wegbeschreibung fehlte. Aber von der Vision dieses Schildes bis zur nächsten, in der Emily bereits in der großen Halle gelegen hatte, waren nur wenige Minuten vergangen. Sieben, acht höchstens.
Also musste sie sich im näheren Umkreis von etwa ein, zwei Meilen befinden. Wenn überhaupt.
Em war immer noch präsent. Ihre Furcht und die Kälte, die sich ihres viel zu dünn bekleideten Körpers bemächtigt hatten, ebenso wie das Kribbeln ihrer tauben Finger. Ich spürte alles, worauf sie ihren Fokus legte und was sie mit mir teilen wollte. Besonders laut waren die Gedanken, die um ihre Situation kreisten und von Zeit zu Zeit immer wieder die ängstliche Frage aufwarfen, ob ich sie überhaupt hören konnte.
„Ich höre dich, Emily“, versicherte ich ihr. „Ich höre alles. Und ich bin so nah. Spürst du mich denn nicht?“
Nun, die traurige Wahrheit war, dass ich sie auch nicht spürte – zumindest nicht, wo sie war. Ob nah oder fern, ihre Gedanken waren immer gleich laut. Und da ich nicht wusste, wohin ich laufen sollte – wo diese abgewrackte Halle stand, in die sie mein Mädchen verschleppt hatten –, brachte mir auch das ’Beamen’ momentan nichts. Obwohl ...
Ich sah an der Hauswand des leerstehenden Hauses empor. Weit und breit gab es hier keine Straßenlaterne, es war sehr dunkel. Und menschenleer, nach wie vor. Ich verhielt mich reglos, bis die Ampel an der nahen Kreuzung auf Grün umschaltete und das einzige wartende Auto nach rechts abbog. Dann fixierte ich den flachen Giebel mit dem markanten Zinnenschnitt über mir.
Ein leichter, kühler Windstoß – schon stand ich auf dem Dach und hockte mich schnell hin. Von hier aus konnte ich die umliegenden Häuser überschauen, aber die geringe Höhe ermöglichte mir noch lange keinen Panoramablick. Etwa sechzig Meter entfernt befand sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein hohes und sehr breites Haus. Ich zählte sechs Stockwerke. Kein Vergleich zu den Wolkenkratzern Manhattans, aber hier draußen schien es weit und breit das höchste Gebäude zu sein. Und offenbar ein öffentliches, denn die Räume waren unbeleuchtet. Sehr gut .
Wieder fixierte ich das flache Dach, wieder landete ich sanft und nahezu lautlos darauf. Von hier oben konnte ich tatsächlich sehr weit schauen.
Den Blick zunächst nach rechts in die Ferne gerichtet, arbeitete ich mich immer weiter auf die linke Seite. Ich erspähte unzählige Reihenhäuser, einen Schulkomplex, einige Supermärkte, bis ... Oh Mann!
Nur zirka
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