Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
verblüfft, dass kein Raum für Zweifel blieb: Noah war Zeuge meiner eigenwilligen Selbstverteidigung geworden. Aber hatte er auch gesehen, was Bill zuvor getan hatte? Mit einem plötzlichen Schwindelgefühl, das sich wie Lava durch meine Adern fraß, wandte ich mich erneut Bill zu, der sich nach wie vor in Schmerzen krümmte. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. Ich war beinahe entsetzt, als ich die rote Spur sah. Er blutete – und zwar ziemlich stark.
Mit hilfesuchendem Blick drehte ich mich wieder zu Noah um. Was hatte ich getan? Einen Moment lang starrten wir einander an. Er schien ebenso perplex zu sein wie ich. Dann, ich traute meinen Augen und Ohren kaum, begann er zu lachen. Lauthals.
Er lacht e mich aus. Noah Franklin lachte mich tatsächlich aus.
Scham quoll in mir empor und ließ meine Wa ngen erglühen. Nicht länger imstande die Tränen zurückzuhalten, floh ich – so schnell mich meine zittrigen Beine trugen – aus dem Schulgebäude. Gott, ich fühlte mich erbärmlich. Den kompletten Nachmittag verbrachte ich allein in meinem Zimmer, erzählte niemandem von dem Zwischenfall mit Bill und schon gar nicht von Noah und seiner demütigenden Reaktion.
Jason fütterte ich mit einem einfachen Doseneintopf ab. Gott sei Dank aß der Typ echt alles, was man ihm vorsetzte. Langsam, aber sicher wuchs die Neugier in mir, ob das auch mit einer Dose Hundefutter so problemlos funktionieren würde.
Später verleugnete er mich freundlicherweise, als Kathy anrief. Er hinterfragte meine Gründe nicht, er tat es einfach. Manchmal war es durchaus angenehm, dass mein Bruderherz so einfach gestrickt war. Und so verwarf ich die Idee mit dem Hundefutter wieder – zumindest vorerst.
Mein Dad hingegen spürte bestimmt, dass etwas nicht stimmte. Er jedoch verfügte wiederum über genügend Einfühlungsvermögen, um mein Bedürfnis nach Ruhe zu respektieren. An diesem Abend verzichtete er auf jegliche Art der Konversation und überließ mich meiner trübseligen Stimmung, ohne mir dabei in die Quere zu kommen. Ich erledigte meine Hausaufgaben und schmiss mich anschließend auf mein Bett. Dort blieb ich liegen, bis der volle Mond sein silbriges Licht durch meine Vorhänge schickte. Er hat dich tatsächlich ausgelacht.
Ich überlegte ernsthaft, ob ich mich am nächsten Tag nicht krank stellen und die Schule schwänzen sollte – nur um Noah nicht unter die Augen treten zu müssen.
An Bill hingegen verschwendete ich keine weiteren Gedanken. Warum nicht? Keine Ahnung! Vielleicht, weil ich die Sache zwischen uns als endgültig geklärt betrachtete. Vielleicht, weil ich nun wusste, dass ich mich gegen ihn zur Wehr setzen konnte. Vielleicht aber auch, weil sich all meine Gedanken seit dem vergangenen Montag ausschließlich um Noah Franklin zu drehen schienen.
Ich griff nach dem dicksten der Kissen, die über mein Bett verstreut lagen, presste es mit aller Kraft vor meinen Mund und schrie, so laut ich nur konnte. Erschöpft, ohne mir zuvor die Haare zu flechten oder mir meine Schlafsachen anzuziehen, gab ich der plötzlichen Schwere nach und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Am nächsten Morgen kämpfte ich gegen die Zeit. Natürlich hatte mich mein Pflichtbewusstsein zum pünktlichen Aufstehen gedrängt. Natürlich nicht nur mein Pflichtbewusstsein, sondern auch eine gewisse Sehnsucht, die ich mir jedoch nicht eingestehen wollte. Aber meine Haare ... Nach dieser schrecklichen Nacht beanspruchten sie über eine Stunde meiner Zeit und waren auch danach nur halbwegs entwirrt. Trotz zweimaligen Waschens und der Verwendung meiner besten Pflegespülung, glich mein rötlicher Schopf dem von Tina Turner zu ihren besten Zeiten. Also band ich die wirren Strähnen notdürftig zu einem Pferdeschwanz zusammen, anstatt sie, wie sonst, über einer Rundbürste zu glätten. Und trotzdem: beim Parken meines Minis erklang die Schulklingel gerade zum dritten Mal. Ich war viel zu spät dran – und wieder war es der Matheunterricht. Als ich den Klassenraum betrat, saß Noah schon an unserem Tisch. Bei seinem Anblick verkrampfte sich mein Magen. Zumindest war Mrs Rodgins noch nicht da.
Ich atmete tief durch und schritt mit all der Würde, die ich aus den Ecken meines zerbröselnden Selbstbewusstseins zusammenkratzen konnte, durch den Raum. Nun, sehr weit kam ich nicht. Lee, der mir den Rücken zugewandt hatte und sich sicht lich nervös mit Lucy unterhielt, rückte seinen Stuhl im denkbar ungünstigsten Moment zurück und brachte
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