Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
richtig, ich kann bleiben. Und das habe ich auch vor“ , hörte ich ihn in meiner Erinnerung noch einmal sagen. Dabei blitzten seine zusammengekniffenen Augen durch meinen Kopf, genauso wie sein schöner, wenn auch sehr verbissener Mund. Und plötzlich erfasste mich das irrationale Gefühl, mir würde die Zeit davonlaufen. Es war albern, aber ich wollte ihn wiedersehen. So schnell es ging.
Ehe ich zu tief ins Grübeln geraten konnte, drehte ich das Wasser ab und kroch unter Schmerzen zurück in meine Folterzangen. Seufzend richtete ich mich auf und verließ den Raum. Erst als mein Blick im Flur in den großen goldenen Wandspiegel fiel, bemerkte ich, dass ich meine Optik gar nicht überprüft hatte. Das riesige Entree wirkte so leer, dass ich mich kaum zu rühren wagte – aus Angst vor meinem eigenen Echo. Hastig kontrollierte ich die üblichen Baustellen mit kritischem Blick.
Haare – natürlich widerspenstig, wie befürchtet. Mit leicht gespreizten Fingern kämmte ich so lange durch die rostroten Strähnen, bis sie wieder einigermaßen passabel fielen. Dann trat ich näher an mein Spiegelbild heran und lehnte mich ihm prüfend entgegen.
Augen – Oh, die Mascara war überhaupt nicht verwischt ( Memo an mich: Marke merken!). Und auch sonst sah ich eigentlich …
„Du siehst gut aus. “
Mit einem erstickten Schrei fuhr ich herum und presste mich im Schock gegen die Tür der Gästetoilette.
Noah stand auf dem untersten Absatz der breiten Treppe, starr wie eine Statue. Wie war er bloß dort hingekommen? Ich hatte rein gar nichts gehört. Seine Augen weiteten sich leicht. Er wirkte ... schockiert?
Ja, genau, schockiert.
Im Moment meiner Erkenntnis verriet mir meine Intuition, was ihn so erschreckt hatte: Seine eigenen Worte. Er kann nicht fassen, dass er das gesagt hat.
„Was? Wie lange … stehst du da schon?“, stammelte ich atemlos.
„Lange genug, um das beurteilen zu können”, sagte er nüchtern und senkte dabei seinen Blick.
Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte. Ich wusste ja nicht einmal, ob das gerade wirklich passierte oder ob ich nur vor mich hinträumte. Doch dann hätte Noah sich an dieser Stelle des Traums ganz sicher nicht auf dem Absatz umgedreht und wäre die Treppe hochgestiegen. „Warte!“, hörte ich mich rufen.
Ahhh, Emily, was machst du denn?
Sofort blieb er stehen, drehte sich jedoch nicht um, sondern wandte mir weiterhin seinen Rücken zu und ballte die Hände zu Fäusten.
„Ich ... ähm“, stotterte ich und ergänzte in Gedanken: ... habe keine Ahnung, warum ich dir hinterhergerufen habe. Vermutlich aus purer Angst, er könnte irgendwo in diesem riesigen Haus verschwinden und für den Rest des Abends nicht mehr auftauchen. Weil ich absolut nicht wusste, was ich nun sagen sollte, plapperte ich einfach drauflos. Und wie immer in solchen Momenten, floss die Wahrheit schneller über meine Lippen, als es mir eigentlich lieb war. Unüberlegt und spontan.
„Ich weiß wirklich nicht, was mich geritten hat diese Schuhe anzuziehen. Ich meine, hätte ich mir nicht denken können, dass es eine Gartenparty wird? Warum ich mich also ausgerechnet für die Schuhe mit den höchsten und spitzesten Absätzen entschieden habe? Ich weiß es nicht. Und ehrlich gesagt habe ich auch keine n Schimmer, wie ich mich zu den anderen gesellen soll. Sie stehen mitten auf der Rasenfläche und ich werde den Abend wohl oder übel auf der Veranda verbringen müssen.“
Gut, wenn er mich bis jetzt noch nicht für völlig beschränkt gehalten hatte, so sollten nun keine Zweifel mehr bestehen.
Warum, um alles in der Welt, erzählte ich ihm das alles? Er würde mich wieder auslachen. Oder einfach weggehen.
Ich wusste nicht, was schlimmer wäre. Aber Noah überraschte mich, indem er nichts von beidem tat.
Ganz langsam drehte er sich um und sah – noch viel langsamer – an mir herab, bis auf meine Füße, die verkrampft und ein wenig verdreht in den besagten Mörderschuhen feststeckten. Sein stummer Blick gab mir ein paar Sekunden Zeit, ihn genauer zu betrachten. Noah sah einfach umwerfend aus, obwohl er längst nicht so schick gekleidet war wie seine Geschwister.
Er trug ein weißes Hemd mit dünnen farbigen Streifen und dazu eine ziemlich lässige Jeans. Bei seinem Anblick – wie er so ruhig dastand und mich musterte – verschlug es mir erneut den Atem. Ich spürte jeden Millimeter des Weges, den sich mein brodelndes Blut in meine Wangen bahnte, überdeutlich.
„Frag Lucy!“, kommandierte
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