Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
ernst gemeint, ich hätte sie nur mit einem Nein beantworten können. Um ehrlich zu sein, hatte ich mich niemals weniger bereit für meinen Einsatz gefühlt als in diesem Moment.
Fünf Jahre. Fünf lange Jahre in Ungewissheit waren seit meiner ʼWiederbelebungʼ verstrichen.
Und nun das: Emily war mein Schützling. Unverkennbar anders als alle anderen, hörte ich nicht nur ihre Gedanken bei unserer Berührung, sondern fühlte auch genau was sie spürte, was in ihr vorging. Abgesehen davon, hatte ich sämtliche meiner selbstaufgestellten Regeln für sie gebrochen und binnen einer Woche über den Haufen geworfen.
Es gab so viel was sie wissen wollte, was ich ihr erzählen wollte aber nicht durfte . Ich musste verbergen wer ich war, vor ihr, vor meiner Familie, die ich mehr liebte, als sie je ahnen würden – und allen!
Niemand sollte mich in sein Herz schließen , niemand durfte mich lieben. Ich würde ihnen so viel Schmerz bereiten, wenn ich ging – wenn ich gehen musste. Zumindest wollte ich ihnen den endgültigen Abschied erleichtern, und wie hätte ich diesen Entschluss besser angehen können, als durch meine unnahbare Art. So lange hatte ich diese Strategie verfolgt; erst in den vergangenen Tagen an Emilys Seite hatte sie ihre Logik verloren. Ich wusste nicht, wie sie das schaffte, aber Emily weckte die Sehnsucht nach dem Leben in mir. Einem Leben, das ich längst aufgegeben hatte.
Michael hatte immer wieder behauptet, ich würde meinen Schützling zweifelsfrei identifizieren können. Und es stimmte. Emily hatte ungeahnte Gefühle in mir ausgelöst. Gefühle, die mir meine Aufgabe nicht gerade erleichterten.
Nun hoffte ich auf die Hilfe meines Erzengels, der auf dem Gipfel des Berges noch immer vor mir stand und mit weit ausgebreiteten Armen seine Wärme und Kraft sowie dieses unvergleichliche Licht aussandte – ja, mich förmlich damit durchströmte.
Ich hatte es nicht vom ersten Moment an gespürt. Zunächst war es nicht mehr als eine vage Vermutung gewesen. Erst, als wir uns zum ersten Mal berührten – als ich ihr so intuitiv nachsprang und sie aus dem Pool zog – verspürte ich diese Verbindung, die keine Zweifel mehr in mir zuließ: Ich war hier für sie. Nur für sie. Und diese plötzliche Erkenntnis löste einen tiefen Schock in mir aus.
Ich besaß die Gabe, die Gedanken der Menschen zu hören, die ich berührte. Doch ich hatte diese Gabe so lange nicht genutzt, mich meinem Dasein förmlich verweigert.
Als ich damals starb, war ich nur ein Kind gewesen, hatte die Fragen eines Kindes gestellt, als das gleißende Licht Konturen annahm und Michael zum ersten Mal vor mir auftauchte: „Bin ich tot?“
Und er hatte geantwortet, wenn auch nicht ganz so, wie ich das von einem Engel erwartet hätte: „Das bist du, Noah. Aber wir sind nicht bereit für dich. Du musst zurück.“
Alles war anders gewesen, als ich nach drei Tagen wieder zu mir kam. Die Ärzte hatten sich nach ihrem Kampf um mein Leben auf die Schultern geklopft und beglückwünscht – ahnungslos, dass sie ihn verloren hatten. Ich war zwar wieder bei Bewusstsein, doch ich war ein anderer geworden.
„Dein Herz schlägt nur noch zur Tarnung“, erklärte mir Michael damals, der sich seit jenem Moment so frei in meinem Kopf bewegte, als sei es seiner. „Du wirst deine Lungen mit Sauerstoff versorgen, essen, trinken und schlafen. Du wirst altern, deine Haare und Zehennägel schneiden und deinen Körper vor Verletzungen schützen müssen. Doch all das geschieht nur noch zur Tarnung. Wie gesagt, dein Körper funktioniert relativ normal. Mit einigen Zusatzfunktionen allerdings, und – wenn du die erst einmal beherrschst – viel kontrollierter als bei einem Menschen. Aber ansonsten recht normal. Es gilt jedoch, unerkannt zu bleiben. Für die, die dich lieben und für deinen Schützling. Beachte das, es ist eine der obersten Regeln. Sei offen für alles und jeden, und vergiss nie, wer du bist. Du bist jetzt ein Engel, Noah. Ein Schutzengel. Mach uns hier oben keine Schande.“
Ich hörte nicht auf ihn, sondern baute Wände um mich herum. Groß, mächtig, schalldicht. Hier war ich – allein – und draußen war der Rest der Welt. Ein selbstgezimmertes Gefängnis, das sich mit der Zeit nach einem Zuhause anfühlte.
Bis sie kam, Emily, und – mir nichts, dir nichts – die Wände meines Heimes einriss. Sie ließ sich nicht beirren, nicht verscheuchen. Stein für Stein trug sie meine Mauern ab. Mal impulsiv und beinahe explosionsartig,
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