Blick in Den Abgrund -3-
wieder in der Stadt sind, werde ich ein paar von meinen Überwachungskameras bei dir installieren«, versprach er. »Wir kriegen deinen Stalker auf Band, dann schnappen wir ihn und zerquetschen ihn wie eine Zitrone.«
Die grimmige Entschlossenheit in Seths Stimme rührte Margot. »Das klingt wirklich gut. Aber ehrlich gesagt verfüge ich nicht über die finanziellen Mittel für ein kompliziertes, hochtechnologisches …«
»Du gehörst zu Davys Familie«, unterbrach Seth ihren Protest.
»Nein, das tue ich nicht. Ihr alle kennt mich überhaupt nicht.«
»Aber wir können es nicht erwarten, dich kennenzulernen«, versicherte Raine. »Ich habe Erins Mutter extra gebeten, dich an unseren Tisch zu setzen. Also, weih uns ein, erzähl uns alles. Woher kommst du? Was machst du beruflich? Wie seid ihr euch begegnet?«
Zum Glück war wenigstens die letzte Frage unverfänglich. »Ich gebe Aerobicstunden in dem Fitnessstudio neben seinem Dojo«, antwortete Margot. »Vor ein paar Tagen bin ich bei ihm reingeschneit, um ihn um Rat wegen meines Stalkerproblems zu bitten. Aber eigentlich kennen wir uns kaum. Ich hatte gehofft, von euch Näheres über ihn zu erfahren. Er ist mir noch immer ein Rätsel.«
Es gelang ihr ganz gut, die Fragen abzublocken – zumindest hoffte sie das –, aber Seth und Raine wechselten einen skeptischen Blick, sodass Margot mit der ersten Sache herausplatzte, die ihr in den Sinn kam: »Die Fotos auf Davys Kaminsims zeigen vier Brüder, aber heute sind nur drei anwesend. Was ist aus dem vierten McCloud-Bruder geworden?«
Raines Lächeln erlosch. Seths Kiefermuskeln verspannten sich. Margot überkam das plötzliche Gefühl, in ein riesiges Fettnäpfchen getreten zu sein. Mit beiden Füßen gleichzeitig.
»Er ist gestorben«, erklärte Seth dumpf. »Vor zwölf Jahren. Er ist mit seinem Truck von einer Klippe gestürzt. Sein Name war Kevin. Er war Seans Zwilling und wurde nur einundzwanzig.«
Margot versuchte, den harten, trockenen Kloß in ihrer Kehle runterzuschlucken. »Oh Gott«, flüsterte sie. »Wie furchtbar.«
»Davy war damals in Übersee. Beim militärischen Geheimdienst. Hat er dir nie davon erzählt, wie er und seine Brüder aufwuchsen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nur, dass seine Eltern beide tot sind und sein Vater gewisse unkonventionelle politische Ansichten vertrat.«
»Ha«, grunzte er. »Ich schätze, so könnte man es auch ausdrücken.«
Es trat eine seltsame, bedrückende Stille ein. »Was meinst du damit?«, fragte sie. »Ihr macht mich wirklich nervös. Sagt mir um Himmels willen die Wahrheit! Lasst mich nicht im Dunkeln tappen.«
»Ihr Vater war verrückt«, stellte Seth unverblümt fest. »Ein völlig fanatischer Überlebenskünstler. Ehemaliger Vietnamveteran. Hat seine Jungs draußen in den Bergen großgezogen. Er brachte ihnen bei, zu jagen, Fallen zu legen, zu fischen und wie die Teufel zu kämpfen. Er wollte sie auf den Untergang der Zivilisation vorbereiten. Dann starb ihre Mutter, und er verlor vollständig den Bezug zur Realität. Er drehte komplett durch.«
Margot zwang sich, den Mund zuzuklappen. Ihre achtlose Bemerkung, dass Davy keine Vorstellung habe, wie sich Verzweiflung anfühle, ging ihr durch den Sinn. Wie dämlich sie sich angehört haben musste.
Sie räusperte sich. »Ich wollte nicht in seinen privaten Tragödien herumstochern«, sagte sie mit unsicherer Stimme.
»Bei den McClouds ist alles eine private Tragödie«, bemerkte Seth. »Sie besitzen das seltsame Talent, ein Höchstmaß an Drama anzuziehen.«
»Das musst ausgerechnet du sagen«, warf Raine scharf ein.
»Ja, und das verbindet uns, mein süßer Käfer.« Seth grinste sie anzüglich an und tat etwas unter dem Tisch, das Raine dazu veranlasste, ihm einen Tritt zu verpassen. Der Tisch wackelte. Champagnergläser gerieten bedenklich ins Schwanken.
»Hör auf damit!« Raine wandte sich mit entschuldigender Miene Margot zu. »Normalerweise ist er nicht ganz so schlimm. Aber wenn er neue Bekanntschaften schockieren oder beeindrucken will, benimmt er sich wie ein Irrer.«
Margot verkniff sich ein Lächeln. Sie spürte, dass Seth absichtlich den Clown spielte, um sie abzulenken, nur war sie noch nicht bereit, sich ablenken zu lassen.
»Wie alt war er, als seine Mutter starb?«, hakte sie nach.
»Erin hat mir gesagt, dass Connor damals acht war«, erinnerte Raine sich. »Damit müssten Kevin und Sean vier gewesen sein und Davy, mal überlegen … zehn.«
»Ähm, Süße?« Seths Ton war
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