Blick in Den Abgrund -3-
egoistische, manipulative Selbstvergessenheit immer wieder an. Alles kotzte ihn an.
Seine eingefleischte Angewohnheit der Selbstbetrachtung war in diesem Moment echt die Pest, weil er nicht die geringste Lust hatte, sich zu analysieren. Doch er wusste nur allzu gut, dass er diesbezüglich auf Autopilot lief, und der ließ sich nicht abschalten.
Er realisierte, dass es ihm leichter fiel, zornig zu sein als verängstigt. Und es war erheblich leichter, als die Traurigkeit zuzulassen, wie damals, als er vor zwölf Jahren Kevin verloren hatte. Er erkannte plötzlich seine Furcht angesichts der Tatsache, wie nahe er erst vor ein paar Monaten davorgestanden hatte, noch einen Bruder sterben zu sehen. Leben und Tod lagen eng beieinander, und diese Tatsache jagte ihm eine Heidenangst ein.
Es waren hässliche Gedanken, denen er da nachhing, doch für einen Rückzug war es zu spät – sie hatten schon zu viel Eigendynamik entwickelt. Es trieb ihn zur Weißglut, dass Kevin nicht hier war, um auf Connors Hochzeit zu tanzen, oder seine Eltern. Es machte ihn krank, dass Liebe und Familie und all diese herzerwärmenden Aspekte des Lebens unaufhörlich am Abgrund balancierten, mit einem Messer an der Kehle.
Und in diesem Moment hing Margot am Abgrund.
Margot beobachtete, wie Davy wegging, und fühlte sich alleingelassen.
»Welche Laus ist dem denn heute über die Leber gelaufen?«, wollte Seth wissen.
Er und Raine wandten sich ihr zu, und Margot stellte überrascht fest, dass die Frage an sie gerichtet war. Sie war die aktuelle Expertin in Sachen Davy McCloud. Herrje, was für eine Verantwortung!
»Ich glaube, Tamaras Angebot, mir zu zeigen, wie man die Weltwirtschaft kurzschließt, hat ihn aus der Fassung gebracht«, erklärte Margot. »Ich fand die Idee ziemlich verlockend, aber Davy schien sich sehr darüber aufzuregen.«
Seth begriff die Situation sofort. »Ach so! Tja, Davy versteht bei solchen Dingen keinen Spaß. Ich selbst würde vor Freude in die Luft springen, würde diese Frau mir beibringen, wie man …«
»Nein, das würdest du nicht«, unterbrach Raine ihn. »Nicht, wenn du weißt, was gut für dich ist.«
Seth führte die Hand seiner Frau an seine Lippen und drückte zärtliche Küsse auf ihre Haut bis zu ihrem Arm hinauf. »Ich weiß genau, was gut für mich ist, mein Engel«, schmeichelte er ihr.
Raine entzog sich ihm kichernd. »Hör auf! Du bist heute wirklich eine Nervensäge! Was soll ich nur mit dir anstellen? Soll ich dir vielleicht ein Beruhigungsmittel einflößen?«
»Es liegt an dem Kleid, Baby«, verteidigte er sich. »Wie soll ich mich angesichts all dieser cremig weichen Haut im Zaum halten?«
Raine warf Margot einen verlegenen Blick zu. »Ich muss mich für ihn entschuldigen.«
Seth kippte mit dem Stuhl zurück und unterzog Margot einer nachdenklichen Musterung. »Sean hat uns von diesem kranken Wichser erzählt, der dir nachstellt …«
»Seth!«, warnte Raine ihn. »Bitte!«
»Ist schon in Ordnung«, sagte Margot hastig. »Das ist eine sehr treffende Umschreibung.«
»Da fällt mir etwas ein: Ich habe ein Geschenk für dich. Sean meinte, dass du dir Sorgen wegen deines Hundes machen würdest, und zufälligerweise habe ich einen Prototypen von etwas dabei, woran ich in meiner Freizeit gebastelt habe. Ein neues Produkt. Hast du das Ding noch in deiner Handtasche, Baby?«
Raine fasste in ihre eisblaue Satinabendtasche und förderte einen plastikumwickelten Gegenstand zutage. Lächelnd reichte sie ihn Margot.
Margot betrachtete ihn von allen Seiten. Es war ein Ring aus schwerem schwarzem Leder mit einem silbernen Anhänger daran. »Was ist das?«
»Ein Hundehalsband«, klärte Seth sie auf. »Ein Colbit-GPS-Tierortungsgerät. Solltest du deinen Hund vermissen, ruf mich an, dann spüre ich ihn über mein System auf und sage dir, wo er ist. Wahlweise kannst du dir die Software und das Zubehör kaufen, falls du ihn selbst finden willst. Die Batterie hält einen Monat. Ich muss dir noch ein Ladegerät bauen. Mein Prototyp hätte nicht in Raines Handtasche gepasst.«
»Oh mein Gott!«, stammelte Margot hilflos. »Das ist … vielen Dank!«
»Keiner hat mir gesagt, dass dein Hund so winzig ist«, brummte Seth. »Dieses Halsband ist groß genug für einen Rottweiler. Ich werde dir ein kleineres besorgen.«
Sie betrachtete den silbernen Anhänger und das dicke Lederband, das mit gemein aussehenden Metallstacheln versehen war. »Das ist … das ist wirklich lieb von dir.«
»Sobald wir
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