Blick in Den Abgrund -3-
dem Parkplatz Snakey kennengelernt, das ist alles. Steig ein, Margot.«
»Das ist alles?«, rief sie schrill. »Was meinst du damit, das ist alles?«
»Ich meine damit, dass mir das Schwein entwischt ist.« Seine Stimme war heiser vor Frustration. »Tam, sag den anderen Bescheid. Der Kerl war groß, athletisch, ein bisschen kleiner als ich. Er hatte eine Haube über dem Kopf, deshalb konnte ich sein Gesicht nicht sehen. Er trug einen Anzug. Falls ihr ihm begegnet, nehmt euch vor Stichen in die Augen und den Hals in Acht. Darauf steht er. Ich habe ihn ziemlich übel zugerichtet, aber er könnte noch immer jede Menge Schaden anrichten, wenn er darauf aus ist. Er ist gemeingefährlich, das kann ich nicht genug betonen.«
»Ich sage es ihnen.« In Tamaras Hand war eine Waffe aufgetaucht. Alle Ironie war aus ihrem bildhübschen Gesicht verschwunden. »Passt auf euch auf!«
Er verließ den Hotelparkplatz, wobei er sich Margots besorgtem Blick auf seinem Gesicht sehr wohl bewusst war, und bog auf die Serpentinenstraße ab, die in die Berge führte.
»Wir sollten an einer Notaufnahme halten. Dein Gesicht blutet.«
»Das sind nur ein paar Kratzer von den Bäumen. Nicht der Rede wert.«
»Wohin fahren wir?«
»Mein Bruder und ich haben ein Haus oben in den Bergen. Wir sind dort aufgewachsen.«
Sein Handy klingelte. Er zog es aus der Smokingjacke. Das Display zeigte eine unbekannte Nummer an. Seltsam. Kein Fremder wusste seine Handynummer. Die Liste der Menschen, die sie kannten, war so kurz, dass man sie an einer Hand abzählen konnte. Er drückte auf die Sprechtaste. »Wer ist da?«
»Gomez.« Die Stimme seines Freundes war leise und nervös.
Seine eigene Nervosität meldete sich nun ebenfalls zurück. »Hallo, Gomez! Was ist los?«
»Wir müssen uns treffen. Jetzt gleich. Es ist wichtig.«
»Das wird bis morgen warten müssen«, entgegnete Davy. »Ich habe dir heute Vormittag gesagt, dass ich in Endicott Falls bin, wegen Connors …«
»Ich bin inzwischen auch hier – in Endicott Falls. Bin gerade aus der Stadt eingetroffen. Ich rufe von einem Münztelefon an.«
Das verschlug ihm für eine Sekunde die Sprache. »Ach so … okay. Wo genau bist du?«
»Vor einem Minimarkt an der Kreuzung Moffat und Taylor Highway.«
»Ich bin in zehn Minuten bei dir.« Davy legte auf und steckte das Handy ein.
»Wer war das?«, fragte Margot.
»Raul Gomez, mein Kumpel bei der Polizei. Er ist extra aus Seattle gekommen, weil er mit mir sprechen muss. Persönlich. Sofort.«
»Oh«, flüsterte sie. »Das klingt nicht gut.«
»Nein, das tut es nicht«, bestätigte er grimmig.
Wenige Minuten später bogen sie auf den Parkplatz ein. Ein attraktiver dunkelhaariger Mann stieg aus einem zerbeulten Geländewagen und lehnte sich wartend dagegen. Davy sprang aus dem Pick-up und schlug die Tür zu.
Margot zögerte kurz, bevor sie ihm folgte.
Gomez’ scharfe dunkle Augen registrierten jedes Detail: die Erde auf Davys Smoking, das Blut in seinem Gesicht, die geschwollene Hand. Dann huschte sein Blick zu Margot.
»Du hast nicht erwähnt, dass du nicht allein bist«, stellte er fest.
»Du hast nicht gefragt.«
Gomez verschränkte die Arme. »Wilde Party, hm?«
Davy zuckte die Achseln. »Ereignisreich.«
Gomez wartete auf weitere Erklärungen. Die Sekunden verstrichen, und seine Miene verhärtete sich. »Komm mit in meinen Wagen. Ich muss mit dir reden. Allein.«
Davy schaute in Margots furchtsame helle Augen. Ihre Arme waren um ihren Oberkörper geschlungen, und sie hatte eine Gänsehaut von der kühlen Nachtluft. »Du kannst alles, was du auf dem Herzen hast, in ihrer Gegenwart sagen.«
Der Polizist zog eine Grimasse. »Scheiße«, brummte er. »Okay, das war’s mit meiner Karriere. Kennst du einen Mann namens Joe Pantani?«
Davy schüttelte den Kopf, als sie beide hörten, wie Margot scharf nach Luft schnappte. Sie wandten sich ihr zu. »Sie kennen ihn?«, fragte Gomez barsch.
»Ich habe in den letzten Wochen gelegentlich in seinem Imbiss bedient«, erklärte sie stockend. »Bis … bis gestern gegen Mittag.«
Gomez’ Miene wurde noch finsterer. »Verflucht! Sagen Sie mir, dass Sie nicht Margot Vetter sind.«
»Äh … warum sollte ich Ihnen das sagen?«
»Sie sind die Kellnerin, die gestern gefeuert wurde?« Er wartete auf ihr Nicken. »Man sucht nach Ihnen, um sie zu dem Mord an Joe Pantani zu befragen.«
Sie schlug die Hand vor den Mund. »Joe? Joe wurde ermordet?«
Gomez richtete den Blick wieder auf Davy. »Ja.
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