Blick in Den Abgrund -3-
dass ich auf der Stelle meine Dienstmarke abgeben und uns allen eine Menge Kummer ersparen sollte. Mein Leben ist einen feuchten Dreck wert, bis du deine Probleme in den Griff bekommst. Und falls ich herausfinde, dass du mich belügst … dann Gnade dir Gott, Davy! Ich werde dich fertigmachen, das schwöre ich.«
»Ich belüge dich nicht«, versicherte er. »Das würde ich nie tun. Du hast mein Wort darauf. Du kennst mich gut genug, dass ich das eigentlich nicht erwähnen müsste.«
Gomez schüttelte nur den Kopf. »Wo warst du letzte Nacht?«
Davy deutete auf Margot. »Mit ihr bei mir daheim.«
»Na klar.« Gomez lachte freudlos. »Das ist eine tolle Nachricht. Wirklich hilfreich. Zwei wertlose Scheiß-Alibis zum Preis von einem.« Er riss die Tür seines Geländewagens auf und stieg ein. Der Motor startete röhrend.
Der Wagen fuhr kurz an, kam mit einem Ruck wieder zum Stehen, und das Fenster fuhr nach unten. »Lass dich nicht umbringen.« Gomez schleuderte ihm die Worte mit erbittertem Nachdruck entgegen. »Du Vollidiot!«
Das Fenster fuhr wieder hoch. Die Reifen wirbelten Kies auf, dann jagte der Geländewagen in die Nacht davon.
19
Sie starrten dem schwächer werdenden roten Flimmern von Gomez’ Rücklichtern nach. In Margots Augen brannten Tränen. Der Wind fuhr unter ihren Rock und ließ ihn um ihre Beine flattern. Sie fröstelte, als wäre es erst Januar. Sie war so wütend auf den armen Joe gewesen, und nun wirkte ihr Zorn nur noch dumm und kindisch.
Das schlechte Gewissen lag ihr wie ein Kloß im Magen, als sie den leeren, kalten Ausdruck auf Davys Gesicht bemerkte. Irgendwie hatte sie ihn mit dem Margotfluch infiziert, genau wie jeden, mit dem sie in Kontakt kam. Das Gothicmädchen, der Pfandleiher, Cindy, Davy, Joe. Der bedauernswerte, schweinsgesichtige, geizige Joe. Er hatte es nicht verdient, so zu sterben. Und jetzt wurde Davy ein Mord angelastet.
»Er muss gestern im Imbiss gewesen sein«, wisperte sie.
»Wer?« Davy zuckte zusammen, als wäre er gerade aus einem grässlichen Traum erwacht.
»Snakey. Er muss im Restaurant gewesen sein, als Joe mich gefeuert hat. Gott, ist das unheimlich. Vermutlich habe ich dem Kerl sein Mittagessen serviert.«
»Denk nicht darüber nach. Steig in den Wagen.« Davy sagte das in einem schneidenden Befehlston, aber sie war froh über diesen Impuls von außen, weil sie so ihre Schockstarre abschütteln konnte. Sie versuchte, ihr Zittern zu unterdrücken, als sie ins Auto kletterte, aber es war zu heftig und rührte nicht nur von der Kälte her.
Der Motor sprang an, und Davy steuerte zurück auf die Schnellstraße.
Margot kannte dieses Gefühl. Ein gewaltsamer Strudel drohte sie mit sich fortzureißen. Sie wollte nicht zu dem Ort, an den er sie brachte. Sie musste sich ablenken.
»Davy«, begann sie schüchtern. »Es tut mir leid.«
»Hör auf damit!«
Sie verübelte ihm seine Schroffheit nicht. Sie kam sich hilflos und einfältig vor. Was konnte sie schon sagen? Hör mal, es tut mir leid, dass dein Leben und deine Freiheit auf dem Spiel stehen und deine ganze Familie in Gefahr geraten ist, weil du mich kennengelernt hast. Dumme Sache. Hasst du es auch so, wenn so was passiert?
Ja, genau. Sie holte tief Luft und unternahm einen neuen Versuch. »Dieser Polizist, Gomez. Ist er ein alter Freund von dir?«
»Wir waren zusammen bei der Armee. Erster Golfkrieg.«
Nähere Ausführungen erfolgten nicht. Margot überlegte sich einen neuen Ansatz. »Davy, was wirst du wegen dieser …«
»Ich weiß es nicht, Margot. Ich muss nachdenken.«
Auch auf diese magere Antwort folgte erdrückende Stille. Das Licht der Schweinwerfer erhellte die dunklen Kurven der unbekannten Straße.
Das hier war unerträglich. Lieber wollte sie ihn verärgern oder sogar einen Streit provozieren, als dass sie dieses zermürbende Schweigen länger ertrug.
Sie nahm all ihren Mut zusammen und wagte den Vorstoß. »Also, wer ist Fleur?«
Der Pick-up beschleunigte sein Tempo. Davy warf ihr einen Seitenblick zu und schüttelte den Kopf.
Eine nahezu wahnsinnige Sorglosigkeit überkam sie. Ihr Zittern fühlte sich nun an wie ein hysterischer Lachkrampf. »Jetzt komm schon! Wenn du es mir nicht sagst, werden die Geschichten, die ich mir ausmale, tausendmal schlimmer und kompromittierender sein als die ungeschminkte Wahrheit.«
»Spiel keine Spielchen, Margot. Es ist kein guter Zeitpunkt.«
Das stimmte, aber was hatte sie zu verlieren? »Das hast du dir selbst zuzuschreiben«,
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