Blick in Den Abgrund -3-
sanftmütige, schlaksige Männer bevorzugt, die sie zum Lachen brachten. Männer, die sie, falls nötig, in den Schwitzkasten nehmen konnte. Craig hatte zu dieser Kategorie gehört.
Ihre Gedanken scheuten vor der Erinnerung an den armen Craig zurück. Sie konzentrierte sich wieder auf die weitaus verlockendere Vision von Davy McClouds halb nacktem Körper. Niemand könnte McCloud in den Schwitzkasten nehmen. Aber es fiel ihr ebenso schwer, sich ihn lachend vorzustellen. Der Gedanke an seine durchdringenden Augen trieb ihr die Hitze ins Gesicht – und in verschiedene andere Körperregionen.
Seltsam, diese primitive sexuelle Reaktion auf einen Kerl, den sie kaum kannte. Sie entsagte dem männlichen Geschlecht schon seit Monaten. Nackt und orientierungslos in einem fremden Hotelzimmer aufzuwachen, nachdem man Zeuge eines brutalen Mordes geworden war, konnte so was durchaus zur Folge haben. Ein echter Killer für die Libido. Es brachte die Hormone zum Versiegen wie bei einem kaputten Wasserhahn.
Oh Gott, sie wollte darüber heute Abend wirklich, wirklich lieber nicht nachdenken, sonst würde sie sich armselig und beschmutzt fühlen und müsste ein weiteres Mal duschen.
Eine heiße, schlüpfrige Fantasie mit Davy McCloud und ihrem treuen Vibrator in den Hauptrollen wäre eine fabelhafte Ablenkung. Solange sie nicht vergaß, dass es nur eine Fantasie war. Mit seinen markanten Gesichtszügen, dem grimmigen Mund und dem vom Schwitzen stacheligen Bürstenhaarschnitt hatte er einen leicht militärischen Touch. Viel zu tough für sie. Sobald sie sich erst mal um seinen Ständer gekümmert hätte, würde sie einen Typen wie ihn mit ihrer großen Klappe in den Wahnsinn treiben.
Es musste das alte Gegensätze-ziehen-sich-an-Klischee sein. Seine strenge Disziplin und sein autoritäres Auftreten reizten sie auf die falsche Weise und brachten sie dazu, ihn provozieren zu wollen. Frei nach dem Motto: Wer hat dich zum Chef des Universums gemacht, Kumpel?
Anschließend würde sie ihn nackt ausziehen, ihn mit Öl einreiben, auf den Rücken werfen und auf ihm in den Sonnenuntergang reiten. In hartem Galopp.
Wow! Sie öffnete den Kühlschrank, fischte eine Karotte aus der Tüte und knabberte daran. Ebenso gut könnte sie diesem Extraspeichel etwas Vernünftiges zu tun geben.
Sie sollte nicht so streng mit sich sein. Sich nach McCloud zu verzehren, machte wesentlich mehr Spaß, als sich wegen Mikeys großer, kummervoller Augen zu grämen, wenn sie ihn in der kostspieligen Tierpension abgab. Und es war auch unterhaltsamer, als vor Angst fast kotzen zu müssen, wann immer sie in die Schatten ihrer eigenen Veranda spähte. Es war besser, als sich ständig Sorgen zu machen, dass Snakey ihr im Dunkeln auflauern könnte. Oder sich in das hineinzusteigern, was Craig und Mandi zugestoßen war.
Sie schnappte sich das Erdnussbutterglas und die Karottentüte, dann setzte sie sich neben Mikeys Körbchen und rollte sich um das kalte, hässliche Ziehen in ihrem Bauch zusammen. Manchmal half das. Ein bisschen zumindest.
Sie strich mit der Karotte am Innenrand des Glases entlang und biss mit grimmiger Entschlossenheit hinein. Sie brauchte einen neuen, brillanten Plan, aber Snakey belegte den gesamten Arbeitsspeicher in ihrem Gehirn. Es gab nicht genügend Platz auf ihrer Festplatte, um das sagenhaft phänomenale Programm für kreative Lösungen zu starten. Sie hatte erst vor ein paar Wochen begonnen, sich aus dieser Jauchegrube zu befreien, und einen Job in einer neuen Grafikdesignfirma in Belltown ergattert. Die falschen Referenzen, die sie für ihre neue Identität gekauft hatte, hatten die kümmerlichen Ersparnisse mehrerer Monate verschlungen, aber damals schien es die Sache wert zu sein.
Es hatte exakt zehn glorreiche Tage gedauert, bis die Firma niedergebrannt war. Es war, als läge ein Fluch auf ihr.
Scheiß drauf! Sie würde den Witzbold, der ihr diese bösen Streiche spielte, zur Strecke bringen und ihm sämtliche Gliedmaßen sowie andere bewegliche Körperanhänge herausreißen. Anschließend würde sie Mikey aus seiner Schutzhaft holen, ihren Namen reinwaschen und ihr Leben ein für alle Mal wieder in die richtigen Bahnen lenken. Die Details waren noch unscharf, aber so lautete der Plan. Einen Plan zu haben war ein guter erster Schritt, richtig? Richtig.
Sie starrte das Telefon an, zum millionsten Mal versucht, Jenny oder Christine oder Pia, ihre besten Freundinnen aus ihrem alten Leben, anzurufen. Nur um sie wissen zu lassen, dass
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