Blick in Den Abgrund -3-
Sehr grausam. Marcus hatte es ihn gelehrt.
Die Emotionen überwältigten ihn, wenn er daran zurückdachte, wie er ihren bewusstlosen Körper in seinen Armen getragen und ihr Kopf mit kindlichem Vertrauen schlaff an seiner Schulter geruht hatte. Irgendwo hatte er gehört, dass wenn man jemandem das Leben rettete, man für diesen Menschen fortan verantwortlich war.
Er hatte Margarets Leben verschont, also war es seine Aufgabe, sie vor den Raubtieren zu beschützen, die von ihrer außerordentlichen Verletzlichkeit angelockt wurden – wie Haie vom Blut.
Faris durfte nicht zulassen, dass Margarets Aufmerksamkeit jetzt von ihm abgelenkt wurde. Er lockte sie sukzessive in seine Falle, sodass sie erschöpft sein würde, sobald die Zeit reif wäre. Dankbar und erleichtert, sich hineinfallen lassen zu können.
Sie brauchte weder Arbeit noch Geld oder andere Menschen. Sie sollte sich nicht den Gefahren des Straßenverkehrs aussetzen oder in dieser Grafikfirma von Männern mit lüsternen Gedanken umgeben sein. Sie musste sich nicht bis tief in die Nacht an ihrem Computer abrackern und sich die schönen Augen verderben, um ein Geschäft aufzubauen, das ohnehin keine Zukunft hatte. Ebenso wenig brauchte sie diesen wertlosen, verkrüppelten Hund.
Stück für Stück befreite er sie von alldem. Sobald alles verschwunden wäre, würde sie begreifen. Sie musste ihm lediglich ihre Seele schenken. Mehr nicht. Er würde ihr Universum sein, ihr einziger Lebenssinn. Der Rest war nur überflüssiges Chaos. Sie würde es lernen.
4
Margot drückte sich flach an die Wand, um in dem schmalen Flur Platz zu machen für die überwältigende Präsenz von Davy McClouds hünenhaftem Körper.
Er guckte in das, was ihr als Wohn- und Schlafzimmer diente, sein Blick blieb auf der gefalteten Steppdecke am Boden hängen, die derzeit ihr Bett war. Ihr Futon war bei dem Einbruch zertrümmert worden, zusammen mit ihrer Couch – beides hatte sie von dem ersten Gehaltsscheck, den sie ihrer kurzlebigen Anstellung bei dem Grafikunternehmen verdankte, gekauft. Sein beharrliches Schweigen machte sie kribbelig.
»Sind Sie gerade erst eingezogen?«, fragte er vorsichtig.
Sie grapschte nach der Tüte in seiner Hand, lud sie sich auf den Arm und marschierte in die Küche. Mmm, schön schwer! »Vor sieben Monaten«, antwortete sie. »Meine Sachen wurden bei dem Einbruch demoliert.«
»Erzählen Sie mir mehr über diesen Einbruch.«
Sie drehte sich um, und er blieb hastig stehen, um nicht mit ihr zusammenzustoßen. Er war so nah, dass sie sein Duschgel riechen, seine Körperwärme spüren konnte.
»Ich weiß Ihr Interesse zu schätzen, aber ich möchte nicht darüber reden«, erklärte sie. »Das ist ein echter Stimmungskiller. Ich würde lieber etwas essen und dazu ein Bier trinken. Einverstanden?«
Sie zwang sich, seinem Blick unverwandt standzuhalten. Dabei zählte sie die Sekunden, um ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden – eintausendeins, eintausendzwei –, bis sie irgendwann den Faden verlor und zu zählen aufhörte.
Herrje! Seine langen, dichten Wimpern waren unwahrscheinlich sinnlich. Er sah fast exotisch aus. Wie kam ein blonder Mann überhaupt zu solch dunklen Brauen und Wimpern? Es war einfach nicht gerecht. Man sollte ein Gesetz dagegen erlassen.
Sie trieb für wer weiß wie lange in diesem unsinnigen, zeitlosen Nichts, bis er schließlich nickte und den Bann brach. »In Ordnung. Lassen Sie uns zuerst essen.«
Das war zwar nicht der Handel, den sie vorgeschlagen hatte, aber sie war zu durcheinander, um zu insistieren. Sie verteilte die Behältnisse auf dem Tisch, während er das Bier im Kühlschrank verstaute. Als sie sich umdrehte, um nachzusehen, warum noch immer kaltes weißes Kühlschranklicht die Küche durchflutete, stellte sie fest, dass McCloud sie stirnrunzelnd über seine Schulter musterte.
»Es gibt hier drin keine Lebensmittel«, stellte er fest. »Nichts außer einer Dose Hundefutter.«
Sie zog eine Braue hoch. »Mist! Sie sind mir auf die Schliche gekommen, McCloud. Ich liebe Hundefutter. Besonders lecker schmeckt es auf Crackern. Das sollten Sie mal probieren. Ist Bier aus der Flasche okay?«
»Klar. Darf ich Ihrem Hund ein bisschen Fleisch geben?«
»Ja, aber füttern Sie ihn nicht mit etwas, das zu stark gewürzt ist.«
McCloud ging in die Hocke und hielt Mikey ein saftiges Stück hin. Er nahm es zaghaft an, und sein kleiner Körper bebte vor Entzücken.
»Sieh mal einer an«, bemerkte sie. »Also bist du
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