Blick in Den Abgrund -3-
Bürgersteig zu rasen und in eine Parkuhr zu krachen.
Was ihm nämlich um ein Haar passiert wäre, als er sie zum ersten Mal erblickt hatte.
Der Sport-BH, der zu dem Tanga gehörte, bändigte ihre üppigen, weich aussehenden Brüste. Irgendwann in den nächsten Tagen würde er unter dem Vorwand einer nachbarschaftlichen Stippvisite durch die Tür ihres Fitnesscenters schlendern und bei einer ihrer Aerobicstunden zusehen, nur um sich von der Leistungsstärke dieses Büstenhalters zu überzeugen. Trotzdem würde er diese Brüste nackt und ungestützt sehen müssen, um wirklich an sie zu glauben. Bis dahin würde er der Existenz Gottes weiterhin skeptisch gegenüberstehen.
Falsch. Nein. Er würde diesen Weg nicht beschreiten, das würde er nicht tun. Er hatte diese Tür schon vor Wochen zugeschlagen, trotzdem irrlichterten die Fantasiebilder unaufhörlich durch seinen Kopf, und nun manifestierte sich die Schwere in seinem Schritt zu einem offiziellen Ständer. Die dünnen Baumwollhosen, die er bei seinem Kung-Fu-Training trug, würden ihm nicht dabei helfen, seine männliche Würde zu bewahren. Er war geliefert.
Ihre Augen waren ein Kaleidoskop leuchtender Farben: die Iriden umrahmt von Indigoblau, das um die Pupille zu einem bläulichen Grün und dann zu Gold verblasste. Sie trafen seine so direkt, dass er sich mit aller Kraft gegen den Impuls wehren musste, den Blick zu senken und auf seine Füße zu starren. Gott im Himmel! Als Nächstes würde er noch erröten und anfangen zu stottern.
Die spannungsgeladene Stille machte ihn verrückt.
»Was tun Sie hier?«, fragte er. Seine Verlegenheit ließ seine Stimme barscher klingen, als er es beabsichtigt hatte.
Sie zog ihre volle, rosige Unterlippe zwischen die Zähne und kaute auf ihr herum. »Ich … ich, äh, tut mir leid, dass ich Sie gestört habe.«
Er zuckte die Schultern. Abwartend.
»Ihre Kata sieht toll aus«, bemerkte sie. »Sie haben eine wunderbare Technik. Ich bin zwar keine Expertin, trotzdem … nun, was soll ich sagen? Es war wirklich beeindruckend.«
Die Höflichkeit gebot, ihr Kompliment mit einer freundlichen Erwiderung zu belohnen, doch alles, was er zustande brachte, waren ein Nicken und ein Grunzen. Sie wartete vergeblich, dass er sein Stichwort aufgriff. Er biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich darauf, seine körperliche Reaktion zu bezähmen – es war die Biofeedback-Entsprechung zu dem Versuch, nicht an einen rosaroten Elefanten zu denken.
Ihre Wangen wurden noch rosiger. »Ich, ähm … tatsächlich wollte ich Ihnen ein paar Fragen stellen. Wie ich höre, sind Sie Privatdetektiv, deshalb …«
»Von wem haben Sie das?«
Sein schroffer Ton schien sie aus der Fassung zu bringen. »Von diesem blonden Mann, der hier die Kickboxkurse gibt. Er sagte mir, dass Sie …«
»Sean«, brummte er. »Mein Bruder. Der kann einfach nie seine große Klappe halten.«
Eine verwirrte Falte trat zwischen ihre geraden dunklen Brauen. Vermutlich zerbrach sie sich den Kopf, wie es möglich sein konnte, dass er mit Sean verwandt war, diesem Inbegriff eines männlichen Pin-up-Models mit dem entsprechenden verführerischen Charme. Es gab nicht viele Ähnlichkeiten zwischen ihnen, mit Ausnahme ihres aschblonden Haars und ihres bizarren Hintergrunds.
»Oh.« Ihre Stimme klang wachsam. »Es ist also ein Geheimnis?«
Die Vorstellung, wie Sean Margot anmachte, ließ ihn unwillkürlich die Kiefer zusammenpressen. Und weil er wusste, wie dumm und irrational seine Reaktion war, verstärkte sich seine Wut wie in einer endlosen Teufelskreisspirale. »Ich bin gerade dabei, aus dem Geschäft auszusteigen. Meine Lizenz besitze ich zwar noch, trotzdem nehme ich keine neuen Klienten mehr an. Was Sean verdammt genau weiß.«
»Oh.« Margot klang kleinlaut. »Warum steigen Sie denn aus?«
Davy verschränkte die Arme vor seiner nackten Brust und wünschte sich, seine Jacke zu tragen, die am anderen Ende des Raums über dem Hantelständer hing.
»Langeweile. Erschöpfung.« Er ließ seine Stimme kühl und abweisend klingen. »Ich orientiere mich neu.«
Ihr Blick ging zu Boden, und sie wich einen Schritt zurück.
Es funktionierte. Er hatte sie vergrault. Sie würde nicht wiederkommen. Genau wie er es beabsichtigt hatte. Alles lief nach Plan. Warum fühlte er sich dann so beschissen?
»Ich verstehe. Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie belästigt habe«, murmelte sie und wandte sich ab. »Ich werde Sie nicht länger aufhalten …«
»Warten Sie!«, hörte er
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