Blick in Die Angst
Missbrauch, bei denen das Opfer bedroht wurde, war das die Regel – trotzdem fiel es mir schwer zu akzeptieren, dass mir das zugestoßen sein sollte. Und ich hatte Angst, was noch geschehen sein könnte – ich konnte mich immer noch nicht daran erinnern, wie der Missbrauch aufgehört hatte, wenn überhaupt.
Die Polizistin fragte: »Gab es mehrere solche Erlebnisse? Hat er Sie noch woanders mit hingenommen?«
Ich dachte an die verwirrte Frage meine Mutter. Erinnerst du dich nicht mehr an das Picknick? Jetzt wusste ich es wieder. Er war mit uns zu einer alten Fischerhütte an einem See gefahren. Alle amüsierten sich, aber ich hasste diesen Ort. Ich war schon einmal hier gewesen, mit Aaron und einem anderen Mädchen. An ihren Namen erinnerte ich mich nicht, aber sie war etwa in meinem Alter. Er ermutigte uns, uns auszuziehen und nackt im kalten See zu baden. Ich wollte nicht, das andere Mädchen aber schon, also folgte ich ihr. Später verlangte er, dass wir nackt Verstecken spielten, während er zusah. Wir protestierten, dass wir zu alt seien, aber er sagte, es würde Spaß machen. Diejenige, die zählte, musste dabei auf seinem Schoß sitzen. Mir war, als hörte ich wieder seine Stimme, eins, zwei, drei … und spürte seine Hand unter meinem Handtuch.
Ich teilte der Polizistin meine Erinnerung mit. »Ich denke, es passierte normalerweise am Fluss, vielleicht vier-, fünfmal während der ersten paar Monate …« Ich schwieg und dachte an damals. Meine Mutter hatte recht, nachdem Coyote in diesem Sommer gestorben war, entwickelte ich eine Todesangst vor Wasser. Aaron bot an, mich zu unterrichten, aber das war nur ein Trick gewesen, damit er mehr Zeit mit mir am Fluss verbringen konnte. Ich erinnerte mich vage daran, dass er mir jedes Mal zuerst freundlich und wohlwollend versuchte, das Schwimmen beizubringen, und mich immer wieder ermutigte. Doch ich war angsterfüllt, da ich wusste, wie es enden würde.
Ich erzählte ihr von dem Unterricht. »Manchmal …« Ich holte Luft und schluckte hart. »Er, äh, brachte mich dazu, mich selbst zu berühren. Er sah gerne zu. Danach zwang er mich immer, ihn oral zu befriedigen.« In meinem Kopf entstanden Bilder, ich hörte sein Stöhnen und Ächzen. Ich erinnerte mich, dass ich weinte und die Augen geschlossen hielt und so tat, als wäre ich irgendwo anders.
Ich wischte ein paar Tränen fort. »Das ist alles, woran ich mich im Moment erinnere.«
»Es kann sein, dass Ihnen noch mehr einfällt, jetzt, wo Sie offen dafür sind. Sie haben Ihre Sache großartig gemacht. Ich weiß, dass es hart für Sie war.«
Ich fühlte mich völlig ausgelaugt und seufzte tief. »Werden Sie ihn deswegen irgendwie belangen? Ich bin jetzt sicher, dass es noch weitere Opfer gibt.« Ich berichtete ihr von meinen Befürchtungen in Bezug auf die Vorgehensweisen und Glaubensansichten der Kommune.
»Wir werden ihn zu einer Vernehmung einbestellen und dann weitersehen.«
»Wie stehen da die Chancen, dass Sie ihn verhaften – ohne weitere Beweise?«
»Unser Job ist es, Informationen zu sammeln. Dann präsentieren wir die Fakten der Staatsanwaltschaft, und die entscheidet, ob die Beweise ausreichen, um Anklage zu erheben.«
»Aber wenn er es abstreitet, und ich keine weiteren Zeugen habe …«
Sie blickte hinunter auf ihren Block, überflog die Notizen, die sie gemacht hatte, als versuche sie, zu einer Entscheidung zu gelangen.
Ich fügte hinzu: »Ich verstehe schon, wie so etwas abläuft.«
Sie sah mich freundlich an. »Ohne irgendwelche handfesten Beweise oder weitere Aussagen von anderen Opfern oder Zeugen wird es wohl leider nicht ausreichen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er verurteilt wird, ist ziemlich gering.«
»Sie meinen, gleich null.«
»Wenn wir ihn zu einer Vernehmung abholen, werden wir vielleicht mehr erfahren.«
»Werden Sie ihm meinen Namen verraten?«
»Er hat das Recht zu erfahren, wer seine Anklägerin ist, und wir können ihn nicht richtig befragen, solange er nicht weiß, was ihm vorgeworfen wird. Sie sind nicht minderjährig, und solange er Sie nicht direkt bedroht hat …«
»Nein, ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern. Aber ich kann bezeugen, dass sein Bruder gewalttätig war. Ich glaube, dass er psychisch krank war. Ich weiß nicht, wo er jetzt ist …«
Die Polizistin machte sich eine Notiz und sagte: »Können Sie mir sagen, was passiert ist?«
Ich erzählte ihr von Josephs Attacken auf Mitglieder, die die Regeln gebrochen hatten. »Aaron konnte
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