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Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
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wäre es ein himmlischer Ort gewesen, um hier aufzuwachsen.
    Ich blieb in der Mitte des Camps stehen, dort, wo wir alle unsere Mahlzeiten an einem langen Tisch eingenommen hatten. Die Hütten waren strahlenförmig im Kreis angeordnet, die Lagerfeuerstelle und die jetzt verschwundene Schwitzhütte bildeten den Mittelpunkt. Langsam drehte ich mich um die eigene Achse und nahm alles in mich auf. Dann schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf all meine Sinne. Im sanften Wind nahm ich den Geruch von Holzkohle aus alten Lagerfeuern und des amerikanischen Riesenaronstabs wahr und erinnerte mich, wie ich mit Robbie und den anderen am Feuer gesessen und Aaron beim Singen und Gitarrespielen zugehört hatte.
    Ich dachte an Willow, wie sie immer alle dazu ermuntert hatte, mit einzustimmen, selbst Robbie, der es hasste zu singen, aber eine kräftige, tiefe Stimme hatte. Er hatte gelacht und sich geweigert, aber am Ende hatte er immer nachgegeben. Jetzt, wo ich darüber nachdachte, fiel mir auf, dass er ziemlich viel Zeit mit Willow verbracht hatte. Er war mit vielen Mädchen der Kommune befreundet gewesen und mit einigen von ihnen mehr als das. Aber irgendetwas an seiner Beziehung zu Willow war anders gewesen. Robbie hatte zu gleichgültig reagiert, als ich ihn heute nach ihr gefragt hatte, als wäre sie nur eine von vielen gewesen, aber jetzt fragte ich mich, ob er vielleicht irgendetwas über ihre Herkunft wusste.
    Ich wollte schon wieder gehen, als mein Blick auf den Pfad hinunter zum Fluss fiel, der mittlerweile zugewachsen war. Ich hielt inne und überlegte, ob ich ihm folgen und ausprobieren sollte, ob noch mehr Erinnerungen hochkämen. Doch dann sah ich in der Ferne den Stall, und ein Bild blitzte grell auf und fraß sich wie ätzende Säure in meine Seele.
    Ich sehe Aaron hinter dem Stall im Wald. Er gräbt in der Erde. Er dreht sich um und sieht mich wütend an.
    Dann verschwand das Bild wieder. Was hatte er dort vergraben? Ich versuchte, mich auf diesen Moment zu konzentrieren, setzte all meine Sinne ein, doch ich erinnerte mich nur, dass ich Angst hatte und mich fürchtete, als hätte ich nicht dort sein dürfen. Wo waren Robbie und meine Mom, wo waren die anderen Mitglieder? Ich glaubte, dass es heiß gewesen war und spät in der Nacht – ich hätte im Bett liegen sollen. Doch es gelang mir nicht, mein inneres Auge auf den Boden zu richten und zu erkennen, was er damals vergraben hatte.
    Mir wurde kalt, mein Magen verwandelte sich in einen harten Knoten, doch ich zwang mich, zum Wald hinüberzugehen. Ich suchte den Boden ab, auf der Suche nach irgendwelchen merkwürdigen Erhebungen oder Einsackungen, aber ich fand nichts als normalen Waldboden.
    Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf den Stall. Er befand sich in einem schlechten Zustand, eine der Wände war bereits eingestürzt, das Dach würde bald folgen. Farne und Bäume wuchsen in den alten Pferdeboxen, die Gitter waren mit feuchtem grünen Moos bedeckt. Je näher ich heranging, desto enger schnürte sich meine Kehle zu. Als ich das Gebäude erreicht hatte, war mein Magen vor Übelkeit völlig verkrampft.
    Es ist nur ein Stall, er kann dir nicht weh tun. Du bist sicher.
    Es funktionierte beinahe, doch sobald ich den ersten Schritt in die Ruine setzte, das Dach im Auge behaltend, um sicherzugehen, dass es nicht herunterkam, hatte ich das Gefühl, jemand würde mein Herz hoch in die Kehle stopfen und meine Brust fest zusammenpressen. Ich atmete hektisch und stoßweise. Einen Moment lang glaubte ich, tatsächlich ohnmächtig zu werden, als es um mich herum dunkel wurde. Mir wurde heiß und kalt zur gleichen Zeit.
    Hier drin, irgendetwas ist hier drin passiert.
    Ich drehte mich um und rannte los. Ich war schon halb aus dem Camp draußen, bevor ich anhielt und mir vorkam wie ein Idiot. Immer noch keuchend, schaute ich zurück zum Stall. Beruhige dich, Nadine. Es ist nur ein Stall. Aber es war nicht bloß ein Stall. Jede Faser meines Körpers sagte mir, dass es gefährlich war, dass mir darin etwas zustoßen könnte – dass mir etwas zugestoßen war .
    Nicht einfach zugestoßen. Jemand hatte mir etwas angetan.
    Ich schloss die Augen, konzentrierte mich auf das Heben und Senken meiner Brust, lenkte meine Energie auf meine Mitte, nahm bewusst den Boden unter meinen Füßen wahr, die kalte Brise in meinem Gesicht, und versuchte mich zu erinnern. Was war geschehen?
    Wie durch eine unsichtbare Hand stellten sich mir die Nackenhaare auf, als gleichzeitig links

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