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Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chevy Stevens
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beinahe beide umgebracht. Möglicherweise war das noch öfter vorgekommen, seit sie erwachsen war, aber das würde ich nie erfahren. Wenn man sie behandelt und rasch wieder entlassen hätte, hätte es keinen Grund gegeben, mich zu benachrichtigen. Doch dieses Mal riefen sie an, was bedeutete, dass es ernst war.
    Die Schwester redete weiter. »Wir haben noch nicht sicher festgestellt, warum sie das Bewusstsein verloren hat, so dass wir sie im Moment nur unterstützend behandeln.«
    »Ist sie wach?«
    Sie senkte die Stimme. »Sie liegt im Koma.«
    Ich schnappte nach Luft und stand so hastig auf, dass sich der Raum um mich drehte. Mein Herz raste wie wild. Im Koma, meine Tochter lag im Koma.
    »Ich komme, so schnell ich kann.«
    Nachdem ich mir rasch etwas angezogen hatte, schnappte ich meine Schlüssel und rannte hinaus zu meinem Wagen, wobei ich die Katze erschreckte, die sich in ihrer Kiste versteckt hatte, und sie in die Flucht trieb. Den ganzen Weg zum Krankenhaus umklammerte ich das Lenkrad so heftig, dass die Fingerknöchel weiß waren. Ich war mir keiner anderen Fahrzeuge auf der Straße bewusst und wusste nicht einmal, welche Route ich zum Krankenhaus nahm, so voll war mein Kopf mit Schreckensbildern. Warum hatte Lisa eine Überdosis genommen? Hatte unsere Begegnung bei ihr eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt? Bei dieser Vorstellung wurde mir schlecht.
    Im Krankenhaus sprach ich mit dem Arzt, der mir erklärte, sie hätten Lisa auf die Intensivstation verlegt. Ihr Zustand sei unverändert, und endlich fand ich sie in einem der Betten. Ein Vorhang war um sie herum zugezogen, und nur der Tropf und ein Beatmungsgerät leisteten ihr Gesellschaft. Die Schwestern schienen durch die Station zu schweben, sahen nach den verschiedenen Patienten und unterhielten sich mit gedämpften Stimmen. Überall piepten Monitore.
    Lisa hatte die Augen geschlossen, und sie war bleich. Ich ergriff ihre Hand und fühlte mich zittrig von dem Adrenalin, das durch meine Adern pumpte. Es geht ihr gut. Hier ist sie genau richtig. Sie wird wieder gesund. Ich wiederholte dieses Mantra immer wieder, aber ich konnte mein Herz nicht dazu bringen, an die Worte zu glauben. Wie viele Drogen hatte sie genommen? Würde sie überleben, nur um einen Hirnschaden davonzutragen?
    Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich neben sie. Ich betrachtete ihre Hand in meiner, die schlanken Finger, die kurzen Nägel. Sie waren gefeilt, und ich staunte über diesen Hauch von Eitelkeit. Sie pflegte sich, was sie nicht tat, wenn sie aktiv Drogen nahm. Auch ihre Haut war rein und ohne Akne. Erneut fragte ich mich, was sie dazu getrieben hatte, eine Überdosis zu nehmen. Ich betrachtete ihr schlafendes Gesicht, das Heben und Senken ihrer Brust, und betete zum ersten Mal seit langer Zeit zu einem Gott, von dem ich nicht sicher war, ob er existierte.
    Bitte verschone mein Kind. Gib ihr noch eine Chance.
    Zwei Stunden später saß ich immer noch da und hielt Lisas Hand, als ich spürte, wie ihr Daumen zuckte. Ihre Augenlider begannen zu flattern. Kam sie wieder zu Bewusstsein? Unvermittelt riss sie die Augen auf und starrte mich mit erweiterten Pupillen und entsetztem Ausdruck an. Sie blickte auf irgendetwas hinter meiner Schulter, ihre Herzfrequenz stieg, und der Monitor piepte laut, als sie die Hand wegriss und versuchte, sich den Schlauch vom Beatmungsgerät herauszureißen. Ich stand auf, hielt ihren Arm fest und sagte: »Hör auf, du wirst dich noch verletzen«, aber sie schlug nur wild um sich und riss sich los. Es gelang ihr, den Tropf herauszureißen und mich mit der Flüssigkeit zu bespritzen. Als ich sie schließlich zu fassen bekam, kämpfte sie nur noch verbissener und stieß ein wegen des Beatmungsschlauchs kehliges Stöhnen aus. Ich verlor den Halt, und sie schlug wieder um sich, wobei sie mich mit dem Unterarm direkt an der Nase erwischte. Dann hörte ich Schritte hinter mir.
    Zwei Krankenschwestern eilten auf Lisa zu und drückten ihre Arme nach unten, während sie voller Panik stöhnte und knurrte. Sie verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Ich wich zurück. Mein Körper war immer noch vom Adrenalin überschwemmt, und das Blut rauschte in meinen Ohren, während ich zusah, wie die Schwestern mit der Verrückten in dem Bett kämpften. Mit meiner Tochter.
    Es dauerte einige Minuten, bis sie Lisa so weit beruhigt hatten, dass sie ihnen zuhörte. »Sie sind im Krankenhaus«, erklärte eine der Schwestern. »Sie wurden bewusstlos

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