Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)
wie im Reich der Regenwurmperspektive, nur beklemmender, denn was ich hörte und sah, war mit den Insignien meiner menschlichen Vergangenheit versehen (ich erkannte meine Familienangehörigen, selbst wenn mir, wie in Holleys Fall, ihre Namen nicht mehr einfielen). Aber gleichzeitig fehlten die erstaunliche Klarheit, die lebendige Fülle und Vielfalt – die Ultra-Realität – des Übergangs und des Zentrums völlig. Ich war eindeutig zurück in meinem Gehirn.
Obwohl ich, nachdem ich meine Augen wieder geöffnet hatte, zunächst scheinbar vollkommen klar gewesen war, hatte ich bald keinerlei Erinnerung an mein menschliches Leben vor dem Koma mehr. Ich konnte mich nur daran erinnern, wo ich gerade gewesen war: an das grobe, hässliche Reich der Regenwurmperspektive, den idyllischen Übergang und das Ehrfurcht gebietende himmlische Zentrum. Mein Bewusstsein, mein wahres Selbst bahnte sich seinen Weg zurück in den viel zu engen und einschränkenden Anzug der physischen Existenz mit seinen raum-zeitlichen Grenzen, seinem linearen Denken und seiner Beschränkung auf die verbale Kommunikation – Dinge, die ich bis vor einer Woche für den einzigen Existenzmodus gehalten hatte, die sich jetzt aber als außerordentlich sperrige Einschränkungen erwiesen.
Das physische Leben ist durch eine Abwehrhaltung gekennzeichnet, während das spirituelle Leben genau das Gegenteil bedeutet. Das ist meine einzige Erklärung dafür, dass meine Rückkehr ins physische Leben einen derart stark paranoiden Zug hatte. Eine Zeit lang war ich davon überzeugt, dass mich Holley (deren Name mir immer noch nicht einfiel, die ich aber irgendwie als meine Frau erkannte) und meine Ärzte umzubringen versuchten. Ich hatte weitere Träume und Fantasien vom Fliegen und Fallschirmspringen; manche von ihnen waren extrem lang und komplex. In der längsten, intensivsten und geradezu lächerlich detaillierten Fantasie fand ich mich in Südflorida wieder, in einer Krebsklinik mit Außenrolltreppen, wo ich von Holley und zwei Polizisten sowie von zwei asiatischen Ninja-Fotografen auf Kabelrollen verfolgt wurde.
Ich machte in der Tat etwas durch, was als ICU-Psychose (ICU = Intensive Care Unit) oder Intensivstationspsychose bekannt ist. Bei Patienten, deren Gehirnfunktionen allmählich zurückkehren, nachdem sie lange inaktiv waren, ist eine solche Psychose normal und durchaus zu erwarten. Ich hatte sie schon oft gesehen, aber noch nie von innen erlebt. Und von innen war es wirklich etwas ganz, ganz anderes.
Im Rückblick ist das Interessanteste an diesen Albträumen und paranoiden Vorstellungen, dass sie in Wirklichkeit alle nur eines waren: Fantasien. Einzelne – besonders der ausgedehnte Süd-Florida-Ninja-Albtraum – waren extrem intensiv und sogar richtig beängstigend. Aber in der Rückschau – fast unmittelbar nachdem diese Phase zu Ende war – wurde alles klar als das erkennbar, was es war: etwas, was sich mein bedrängtes Gehirn zusammenkochte, während es versuchte, sich wieder zurechtzufinden. Manche der Träume, die ich in dieser Phase hatte, waren überwältigend und beängstigend lebendig. Doch letztlich verdeutlichten sie nur, wie völlig anders mein Traumzustand im Vergleich zu der Ultra-Realität war, die ich im tiefen Koma erlebt hatte.
Was die Raketen-, Flugzeuge- und Fallschirmspringer- Themen angeht, die ich mir so konsequent ausgemalt hatte, so waren sie, wie ich später erkannte, von ihrer Symbolik her durchaus stimmig. Denn Tatsache war, dass ich mich mitten in einem gefährlichen Wiedereintritt von einem weit entfernten Ort in die zeitweilig verwaiste, jetzt aber wieder funktionsfähige Raumstation meines Gehirns befand. Es gab eigentlich kaum eine bessere irdische Analogie zu dem, was mir in der ersten Woche nach meinem Erwachen aus dem Koma passierte, als das Starten und Landen einer Rakete.
25
Noch nicht wieder da
Bond war nicht der Einzige, dem es schwerfiel, die ausgesprochen verrückte Person zu akzeptieren, die ich in der ersten Zeit nach meiner Rückkehr war. An dem Tag, nachdem ich das Bewusstsein wiedererlangt hatte, – Montag – rief Phyllis Eben IV. per Skype an.
»Eben, hier ist dein Vater«, sagte sie und richtete die Videokamera auf mich.
»Hi, Papa! Wie geht’s?«, fragte er fröhlich.
Eine Minute lang grinste ich nur und starrte auf den Computer-Bildschirm. Als ich schließlich sprach, war Eben niedergeschmettert. Ich sprach schmerzlich langsam, und meine Worte ergaben wenig Sinn. Eben erzählte mir
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