Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)
begreifen, was ich ihnen so verzweifelt mitzuteilen versuchte. Doch wie konnte ich es ihnen verdenken? Immerhin hätte ich es sicher auch nicht verstanden – vorher .
27
Wieder zu Hause
Zwei Tage vor Thanksgiving, am 25. November 2008, kam ich endlich wieder nach Hause zurück – in ein von Dankbarkeit erfülltes Haus. Eben IV. fuhr die Nacht durch, um mich am nächsten Morgen zu überraschen. Das letzte Mal, als er bei mir gewesen war, hatte ich im Vollkoma gelegen, und er war immer noch dabei, die Tatsache zu verarbeiten, dass ich überhaupt noch am Leben war. Er war so aufgeregt, dass er knapp nördlich von Lynchburg, in Nelson County, einen Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens bekam.
Ich war schon seit Stunden wach und saß in meinem Sessel am Kamin unseres gemütlichen, holzgetäfelten Arbeitszimmers. Mir ging durch den Kopf, was ich in letzter Zeit alles durchgemacht hatte. Eben kam kurz nach sechs Uhr morgens zur Tür herein. Ich stand auf und umarmte ihn lange. Er war verblüfft. Als er mich das letzte Mal über Skype im Krankenhaus gesehen hatte, war ich kaum in der Lage gewesen, einen vollständigen Satz zu bilden. Nun war ich alles andere als schwach und dünn und hatte auch keinen Infusionsschlauch mehr im Arm. Ich war wieder ganz in der Lieblingsrolle meines Lebens: Vater von Eben und Bond zu sein.
Nun, ich war fast wieder der Alte. Auch Eben fiel auf, dass irgendetwas an mir anders war. Später erzählte er, er sei, als er mich an diesem Tag zum ersten Mal gesehen habe, sofort sehr angetan davon gewesen, wie »präsent« ich gewesen sei.
»Du warst so klar, so fokussiert«, sagte er. »Es war, als leuchte eine Art Licht in deinem Inneren.«
Ich verschwendete keine Zeit und teilte ihm meine Gedanken mit.
»Ich brenne darauf, alles darüber zu lesen, was ich bekommen kann«, erzählte ich ihm. »Es war alles so real, Eben, fast zu real, um wirklich zu sein, falls das einen Sinn ergibt. Ich möchte darüber schreiben – für andere Neurowissenschaftler. Und ich will mir Kenntnisse über Nahtoderlebnisse anlesen und darüber, was andere Menschen erlebt haben. Ich kann es einfach nicht fassen, dass ich nie richtig zugehört habe, wenn mir meine eigenen Patienten davon erzählten und dass ich nie etwas davon ernst genommen habe. Ich war noch nicht einmal neugierig genug, einen Blick in die einschlägige Literatur zu werfen.«
Eben sagte zunächst nichts dazu, aber es war klar, dass er darüber nachdachte, welchen Rat er seinem Vater am besten geben sollte. Er setzte sich mir gegenüber hin und bat mich eindringlich zu sehen, was eigentlich offensichtlich sein sollte.
»Ich glaube dir, Papa«, sagte er. »Aber denk mal darüber nach. Wenn du willst, dass dies einen Wert für andere haben soll, ist lesen, was andere Menschen darüber gesagt haben, das Letzte, was du tun solltest.«
»Was also sollte ich tun?«, fragte ich.
»Schreib es auf. Schreib alles auf, all deine Erinnerungen, und zwar so genau, wie sie dir im Gedächtnis geblieben sind. A ber lies keine Bücher oder Artikel über die Nahtoderlebnisse anderer Leute oder über Physik oder Kosmologie. Nicht bevor du aufgeschrieben hast, was dir widerfahren ist. Sprich auch nicht mit Mom oder irgendjemand anderem darüber, was passiert ist, während du im Koma gelegen hast – zumindest, so weit du es vermeiden kannst. Später kannst du das alles tun, wenn du das willst, oder? Denk daran, dass du immer zu mir gesagt hast, dass zuerst die Beobachtungen kommen und erst dann die Interpretationen. Wenn du willst, dass das, was du erlebt hast, von wissenschaftlichem Wert ist, musst du es so rein und genau niederschreiben, wie du kannst, und zwar bevor du anfängst, es mit irgendetwas zu vergleichen, was anderen passiert ist.«
Das war vielleicht der klügste Rat, den mir jemals irgendwer gegeben hat – und ich befolgte ihn. Eben hatte auch darin recht: Was ich wirklich mehr wollte als irgendetwas anderes, war, meine Erfahrungen zu nutzen, um – hoffentlich – anderen damit zu helfen. Je mehr von meinem wissenschaftlichen Denken zurückkehrte, desto deutlicher sah ich, in welch radikalem Gegensatz das, was ich in Jahrzehnten der akademischen Ausbildung und der medizinischen Praxis gelernt hatte, zu dem stand, was ich im Koma erlebt hatte, und desto mehr verstand ich, dass das Bewusstsein und die Persönlichkeit (unsere Seele oder unser Geist, wie manche es nennen würden) über den Körper hinaus existieren. Ich musste der Welt meine
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