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Blicke windwärts

Blicke windwärts

Titel: Blicke windwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Gefühl, dass er das als Segen hinnehmen sollte, doch das Unglück war so schnell über die Wintersturm hereingebrochen, dass die Zeit nicht gereicht hatte, dass die Leute an Bord von ihrem Seelenhort hätten gerettet werden können, und die Waffen, mit denen sie angegriffen wurden, waren eigens dafür konfiguriert, die Gerätschaft selbst zu zerstören.
    Es dauerte ein halbes Jahr, bis Quilan fähig war, die Ironie des Umstandes zu erkennen, dass die Einschlagswaffe das nach altmodischer Technik gespeicherte Substrat, das von Aorme geborgen worden war, so gut wie unbeschädigt gelassen hatte, da der Angriff gezielt auf die Zerstörung der Seelenhort-Technik gerichtet gewesen war.
    Woroseis Zwillingsbruder war weinend zusammengebrochen, als er Quilan die Nachricht überbracht hatte. Quilan empfand so etwas wie schwaches Mitleid für seinen Schwager und gab irgendwelche tröstenden Laute von sich, er selbst weinte jedoch nicht, und als er versuchte, seine eigenen Gedanken und Gefühle zu ergründen, spürte er nichts als eine schreckliche Leere, er empfand allenfalls eine gewisse Fassungslosigkeit, vor allem deshalb, weil er selbst so kühl reagierte.
    Er vermutete, dass sich sein Schwager schämte, weil er vor Quilan weinte, oder dass er verletzt war, weil Quilan kein Anzeichen von Trauer zeigte. Wie auch immer, er besuchte ihn danach kein einziges Mal mehr. Andere Mitglieder seines eigenen Stammes unternahmen die Reise, um ihn zu besuchen; sein Vater und verschiedene andere Verwandte. Er wusste nicht so recht, was er mit ihnen reden sollte. Ihre Besuche vergingen, und er blieb in stiller Erleichterung zurück.
    Eine Trauerberaterin wurde ihm zugeteilt, aber auch bei ihr wusste er nicht, was er sagen sollte, und er hatte das Gefühl, dass er sie enttäuschte, da er nicht fähig war, ihr in jene emotionalen Gefilde zu folgen, die er, wie sie behauptete, erforschen müsse. Auch geistlicher Beistand bot ihm keinen Trost.
    Als der Krieg unvermittelt, unerwartet endete, dachte er so ungefähr Folgendes: Na ja, gut, dass das vorbei ist. Aber gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass er eigentlich nichts empfand. Die übrigen Patienten und die Belegschaft des Hospitals weinten und lachten und grinsten, und jene, denen ein entsprechendes Naturell gegeben war, betranken sich und feierten die ganze Nacht durch, aber er hatte das sonderbare Gefühl, als ob ihn das alles nichts anginge; er ärgerte sich nur ein bisschen über den allgemeinen Krach, der ihn über seine übliche Einschlafzeit hinaus wach hielt. Jetzt war sein einziger Besucher, abgesehen vom medizinischen Personal, nur noch der Oberst.
    »Ich nehme an, es ist Ihnen noch nicht zu Ohren gekommen, oder?«, sagte Oberst Dimirj. Seine Augen leuchteten, und er sah aus, dachte Quilan, wie jemand, der soeben knapp dem Tod entronnen war oder eine aussichtslose Wette gewonnen hatte.
    »Was denn, Jarra?«
    »Über den Krieg, Major. Wie er anfing, wer in verursacht hat, warum er so plötzlich zu Ende war.«
    »Nein, darüber habe ich nichts gehört.«
    »Finden Sie nicht, dass er auffallend plötzlich zu Ende war?«
    »Darüber habe ich mir eigentlich keine Gedanken gemacht. Ich glaube, ich habe während meiner Krankheit ein wenig den Bezug zu den Dingen verloren. Mir ist gar nicht aufgefallen, wie schnell das alles ging.«
    »Nun, wir wissen, warum es so gekommen ist«, sagte der Oberst und schlug mit dem unversehrten Arm gegen die Seite von Quilans Bett. »Es waren diese verdammten Kultur-Schweine!«
    »Sie haben den Krieg beendet?« Chel hielt seit mehreren hundert Jahren Kontakt zur Kultur. Sie waren bekannt dafür, dass sie in der gesamten Galaxis weit verbreitet und technisch überlegen waren – jedoch ohne den anscheinend einzigartigen Draht der Chelgrianer zum Erhabenen – und zu vorgeblich uneigennütziger Einmischung neigend. Eine der eher abwegigen Hoffnungen, die die Leute während des Krieges gehegt hatten, war die, dass die Kultur plötzlich einschreiten und die Streitenden sanft trennen und alles wieder in Ordnung bringen würde.
    Das geschah nicht. Ebenso wenig hatten die Chelgri-Puen, Chels hoch entwickelte Streitkraft der Erhabenen, eingegriffen; auf sie hatte man noch größere Hoffnungen gesetzt. Stattdessen geschah etwas – prosaischer, aber kaum weniger überraschend –, nämlich die plötzliche Bereitschaft der beiden Krieg führenden Seiten, der Loyalisten und der Unsichtbaren, miteinander zu reden; und in erstaunlich kurzer Zeit waren sie zu einer

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