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Blicke windwärts

Blicke windwärts

Titel: Blicke windwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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vergessen, dass es diesen Ort gab, bereits mit Fragen über das Seilbahnsystem gelöchert.
    »Das geht alles auf einen Mann namens Bregan Latry zurück«, erklärte der Avatar, wobei er sich auf der Polsterbank ausstreckte und die Hände hinter dem Kopf verschränkte. »Vor elfhundert Jahren kam ihm der Gedanke, dass dieser Ort unbedingt ein Seilbahnsystem brauchte.«
    »Aber warum?«, fragte Kabo.
    Der Avatar zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Das war vor meiner Zeit, vergessen Sie das nicht; das war die Zeit meines Vorfahren, desjenigen, der in die Erhabenheit übergegangen ist.«
    »Heißt das, Sie haben keine Aufzeichnungen davon geerbt?«, fragte Ziller ungläubig.
    »Sie belieben wohl zu scherzen! Natürlich habe ich eine ganze Ladung von Aufzeichnungen und Archiven geerbt.« Der Avatar starrte zur Decke hinauf und schüttelte den Kopf. »Rückblickend ist es fast so, als ob ich dabei gewesen wäre.« Er zuckte erneut die Achseln. »Es ist lediglich nicht überliefert, aus welchem Grund genau Bregan Latry beschloss, das Becken mit Masten zuzubauen.«
    »Er fand einfach, dass… das… da sein müsste?«
    »Offenbar.«
    »Eine großartige Idee«, sagte Ziller. Er zog an einem Seil und straffte eines der Segel unter der Gondel; Räder und Rollen quietschten.
    »Und dann hat Ihr Vorfahr es für ihn gebaut?«, fragte Kabo weiter.
    Der Avatar schnaubte verächtlich. »Natürlich nicht. Dieser Ort war als Wildnis angelegt. Es gab keinen vernünftigen Grund, warum er von Kabeln durchzogen sein sollte. Nein, mein Vorfahr hat ihm gesagt, er soll es selbst machen.«
    Kabo blickte zum dunstigen Horizont. Er konnte von seinem Platz aus hundert Masten sehen. »Er hat das alles selbst gebaut?«
    »Sozusagen«, antwortete der Avatar, der immer noch zur Decke hinaufblickte, die mit Szenen aus dem antiken ländlichen Leben bemalt war. »Er beantragte Herstellungskapazität und Bauzeit, und er fand ein gefühls- und verstandbegabtes Luftschiff, das es ebenfalls für eine irre Idee hielt, das ganze Becken mit Masten zu übersäen. Er konstruierte die Masten und die Gondeln, ließ sie herstellen, und dann machten sich er und das Luftschiff und ein paar andere Leute, die er dazu überredet hatte, das Projekt zu unterstützen, daran, die Masten aufzurichten und die Kabel dazwischen zu spannen.«
    »Gab es keine Einwände dagegen?«
    »Er hielt die Sache eine erstaunlich lange Zeit geheim, aber – ja, die Leute erhoben Einwände.«
    »Es gibt immer Kritiker«, murmelte Ziller. Er betrachtete mit einem Vergrößerungsglas ein großes auf Papier dargestelltes Diagramm oder eine Art Landkarte.
    »Aber man ließ ihn gewähren?«
    »Um Himmels willen, nein!«, sagte der Avatar. »Die Leute machten sich daran, die Masten umzureißen. Manche mögen die Wildnis in unverdorbenem Zustand.«
    »Aber offensichtlich hat Mr. Latry gesiegt«, sagte Kabo und ließ den Blick wieder in alle Richtungen schweifen. Sie näherten sich dem Masten auf einem niedrigen Hügel. Der Boden stieg zu den unteren Segeln der Gondel an, und ihr Schatten kam ständig näher und wurde größer.
    »Er baute die Masten einfach weiter, und das Luftschiff und seine Kameraden richteten sie immer wieder auf. Und die Bewahrer…« – der Avatar warf Kabo einen viel sagenden Blick zu – »… inzwischen hatten sie schon einen Namen, ein schlechtes Zeichen – rissen sie immer wieder nieder. Bald gesellten sich immer mehr Leute zur einen oder zur anderen Seite, bis es überall nur so wimmelte von Leuten, die Masten aufstellten und Kabel daran befestigten, in Windeseile gefolgt von Leuten, die alles niederrissen und wegkarrten.«
    »Gab es keine Abstimmung darüber?« Kabo wusste, dass Streitigkeiten in der Kultur für gewöhnlich auf diese Weise beigelegt wurden.
    Der Avatar verdrehte die Augen. »O ja, man stimmte ab.«
    »Und Mr. Latry hat gewonnen.«
    »Nein, er hat verloren.«
    »Also, wie kommt es dann…?«
    »Eigentlich gab es viele Abstimmungen. Es war eine dieser schwerfällig anrollenden Kampagnen, bei denen man zuerst abstimmen muss, wem es gestattet sein soll abzustimmen: nur Leuten, die schon mal im Becken gewesen waren, Leuten, die auf Canthropa lebten, jedem auf Masaq’ oder wem?«
    »Und Mr. Latry hat verloren.«
    »Er unterlag in der ersten Abstimmung, nach der das Abstimmungsrecht auf jene beschränkt sein sollte, die schon mal im Becken gewesen waren – können Sie sich vorstellen, dass es sogar einen Vorschlag dahingehend gab, dass eine Stimme viel

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