Blicke windwärts
Jahre nach den Anfängen, hatte er beinahe die gesamte Fläche des Beckens mit Masten bedeckt. Und deshalb heißt es Land der Masten.«
»Das sind drei Millionen Quadratkilometer«, bemerkte Ziller. Er hatte die Karte und das Vergrößerungsglas wieder zur Hand genommen und studierte erneut die eine mit dem anderen.
»Annähernd«, bestätigte der Avatar; er löste die übereinander geschlagenen Beine und schlug sie erneut übereinander, diesmal umgekehrt. »Ich habe die Masten mal gezählt und die Länge des Kabels in Kilometern vermessen.«
»Und?«, fragte Kabo.
Der Avatar schüttelte den Kopf. »Beides ergab sehr große Zahlen, aber ansonsten war es uninteressant. Ich könnte sie heraussuchen, wenn Sie möchten, aber…«
»Nein, danke«, unterbrach Kabo, »meinetwegen bestimmt nicht.«
»Verstarb Mr. Latry, nachdem sein Lebenswerk vollendet war?«, fragte Ziller. Er blickte zum Seitenfenster hinaus und kratzte sich am Kopf. Er hielt die Karte hoch und drehte sie in die eine Richtung, dann in die andere.
»Nein«, antwortete der Avatar. »Mr. Latry gehörte nicht zu den Sterbenden im Leben. Er verbrachte noch ein paar Jahre damit, in einer Gondel herumzureisen, ganz allein, aber schließlich wurde ihm das langweilig. Er unternahm einige Kreuzfahrten im tiefen Raum, dann ließ er sich auf einem Orbital namens Quyeela nieder, sechstausend Jahre von hier entfernt. Seither ist er nicht mehr hier gewesen und hat sich meines Wissens seit mehr als einem Jahrhundert auch nicht nach dem Seilbahnsystem erkundigt. Das Letzte, was ich über ihn gehört habe, ist, dass er versucht hat, eine Gruppe von ASF dazu zu überreden, sich an einem Projekt zu beteiligen, bei dem es um das Anbringen von Mustern aus Sonnenflecken auf seinem Heimatstern ging, um damit Buchstaben zu bilden, die Namen und Sprüche ergeben.«
»Nun ja«, sagte Ziller, dessen Blick wieder in die Karte versunken war. »Man sagt, jeder Mann muss ein Hobby haben.«
»Im Augenblick scheint das Ihre darin zu bestehen, etwa zwei Millionen Kilometer zwischen Ihnen und unserem Major Quilan beizubehalten«, bemerkte der Avatar.
Ziller blickte auf. »Du lieber Himmel! Sind wir wirklich so weit von zu Hause entfernt?«
»So ungefähr.«
»Und wie geht es unserem Gesandten? Amüsiert er sich? Fühlt er sich in seinem Quartier inzwischen heimisch? Hat er schon irgendwelche Ansichtskarten nach Hause geschickt?«
Es war sechs Tage her, seit Quilan auf der Widerstand formt den Charakter angekommen war. Dem Major gefiel seine Unterkunft in der Stadt Yorle auf dem Planeten desselben Namens recht gut. Yorle war zwei Platten, zwei Kontinente von Aquime entfernt, der Stadt, wo Ziller lebte. Der Major hatte Aquime seither zwei Mal besucht, einmal in Begleitung von Kabo, einmal allein. Bei beiden Gelegenheiten hatte er seine Absichten zum Ausdruck gebracht und Nabe gebeten, Ziller über seine Tätigkeit zu informieren. Ziller verbrachte ohnehin nicht allzu viel Zeit zu Hause; vielmehr besuchte er Teile des Orbitals, die er noch nicht gesehen hatte, oder – wie heute – Orte, an denen er schon einmal gewesen war und die ihn beeindruckt hatten.
»Er hat sich sehr gut eingelebt«, sagte Nabe durch den Avatar. »Soll ich ihm sagen, dass Sie Erkundigungen über ihn eingeholt haben?«
»Besser nicht. Wir wollen nicht, dass er sich aufregt.« Ziller blickte durch das Seitenfenster hinaus, während die Gondel von einer Windbö gerüttelt wurde und dann, immer noch quietschend und klappernd, entlang des Monofilkabels Geschwindigkeit aufnahm. »Es überrascht mich, dass Sie nicht bei ihm sind, Kabo«, sagte Ziller mit einem Blick auf den Homomdaner. »Ich dachte, es wäre vorgesehen, dass Sie ihm während seines Aufenthaltes hier die Hand halten.«
»Der Major hofft, es möge mir gelingen, Sie dazu zu überreden, ihm eine Audienz zu gewähren«, sagte Kabo. »Es liegt auf der Hand, dass ich wenig Überredungskunst entfalten kann, wenn ich niemals von seiner Seite weiche.«
Ziller sah Kabo über den Rand der Karte hinweg prüfend an. »Sagen Sie mal, Kabo, ist er es, der versucht, durch Sie entwaffnend ehrlich zu sein, oder ist es nur Ihre übliche Naivität?«
Kabo lachte. »Ein bisschen von beidem, denke ich.«
Ziller schüttelte den Kopf. Er tippte mit dem Vergrößerungsglas auf die Karte. »Was haben diese vielen Kabelstrecken, die rosa und rot schraffiert sind, zu bedeuten?«, fragte er.
»Die rosafarbenen Strecken wurden als unsicher eingestuft«, erklärte der
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