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Blicke windwärts

Blicke windwärts

Titel: Blicke windwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Avatar. »Die roten sind die Abschnitte, die zusammengebrochen sind.«
    Ziller hielt die Karte zu dem Avatar hoch. Er deutete auf ein Gebiet, das die Größe seiner Hand hatte. »Wollen Sie damit sagen, diese Streckenabschnitte sind vollkommen unbrauchbar?«
    »Jedenfalls für die Seilbahn«, bestätigte der Avatar.
    »Man hat sie einfach einstürzen lassen?« Ziller, der wieder auf die Karte starrte, hörte sich fassungslos an, jedenfalls nach Kabos Empfinden.
    Der Avatar hob die Schultern. »Wie ich bereits sagte: das alles liegt ohnehin nicht in meiner Verantwortlichkeit. Ich habe keinen Einfluss darauf, ob sie in Betrieb bleiben oder einstürzen, es sei denn, ich beschließe, sie als Teil meiner Infrastruktur in diese einzubinden. Und wenn man davon ausgeht, dass sie heutzutage kaum noch von jemandem benutzt werden, sehe ich keine Veranlassung, das zu tun. Tatsächlich genieße ich in gewisser Weise sogar ihren allmählichen entropischen Verfall.«
    »Ich dachte immer, deine Leute bauen für die Ewigkeit«, sagte Kabo.
    »Oh«, entgegnete der Avatar fröhlich, »wenn ich die Masten gebaut hätte, dann hätte ich sie im Basismaterial verankert. Das ist der Hauptgrund, warum die Strecken zusammengebrochen oder unsicher geworden sind; die Masten wurden von Fluten unterspült. Sie sind nicht im Substrat verankert, sondern nur in der Geo-Schicht, und das nicht sehr tief. Nach einem Super-Zyklon braucht bloß eine große Flut daherzukommen, und schon – wuff – bricht eine ganze Reihe davon zusammen. Außerdem ist das Monofilkabel so stark, dass es ganze Strecken niederreißen kann, sobald die ersten zwei oder drei Masten durch die Strömung eingeknickt sind; man hat nicht genügend Sicherheitsbremsen in die Kabel eingebaut. Seit der Fertigstellung des Systems gab es vier große Unwetter. Es erstaunt mich, dass nicht mehr davon gefährdet war.«
    »Trotzdem, es ist doch jammerschade, es in einen so desolaten Zustand verfallen zu lassen«, sagte Kabo.
    Der Avatar sah ihn an. »Meinen Sie wirklich? Ich fand eigentlich, dass dieser allmähliche Verfall etwas Romantisches hat. Wenn ein Werk derart selbstbezogener Kunstfertigkeit durch einen Verschleißvorgang, den man den hier herrschenden Kräften der Natur zuschreiben kann, geformt wird, dann erscheint mir das durchaus passend.«
    Kabo dachte darüber nach.
    Ziller hatte sich wieder in die Karte vertieft. »Und was ist mit diesen blau schraffierten Strecken?«, wollte er wissen.
    »Oh«, sagte der Avatar, »die könnten unter Umständen gefährlich sein.«
    Zillers Miene drückte Empörung aus. Er hielt die Karte hoch. »Aber wir befinden uns doch auf einer blauen Strecke!«
    »Ja«, bestätigte der Avatar; er blickte durch die Glaspaneele in der Mitte des ländlichen Gemäldes an der Decke, wo man sah, wie die Leitschienen und Steuerrollen über das Kabel liefen. »Hmm«, sagte er.
    Ziller legte die Karte aus der Hand und zerknüllte sie. »Nabe«, sagte er. »Befinden wir uns in irgendeiner Weise in Gefahr?«
    »Nein, eigentlich nicht. Es gibt allerlei Sicherheitssysteme. Und wenn wirklich ein technisches Versagen vorläge und wir abstürzen würden, dann könnte ich eine Antigravitationsplattform herbeizappen, bevor wir mehr als ein paar Meter fallen. So lange mir nichts fehlt, gilt das für alle anderen auch.«
    Ziller betrachtete argwöhnisch das silberhäutige Geschöpf, das auf der Polsterbank lag, dann nahm er sich die Karte wieder zur Hand und strich sie glatt.
    »Haben wir uns schon auf einen Aufführungsort für die erste Darbietung meiner Symphonie geeinigt?«, fragte er, ohne aufzublicken.
    »Ich dachte ans Stullien-Stadion auf Guerno«, sagte der Avatar.
    Jetzt blickte Ziller auf. Kabo hatte den Eindruck, dass er sowohl überrascht als auch zufrieden aussah. »Wirklich?«
    »Ich glaube, es gibt nicht viel Auswahl«, sagte der Avatar. »Das Interesse ist groß. Wir brauchen einen Aufführungsort mit größtmöglicher Kapazität.«
    Ziller grinste breit und sah so aus, als ob er etwas sagen wollte, dann lächelte er, beinahe schüchtern, wie es Kabo vorkam, und senkte den Kopf wieder zur Karte.
    »Ach, Ziller«, sagte der Avatar. »Major Quilan hat mich gebeten, Sie zu fragen, ob Sie etwas dagegen haben, wenn er nach Aquime umzieht.«
    Ziller ließ die Karte sinken. »Was?«, zischte er.
    »Yorle ist sehr nett, aber es ist ganz anders als Aquime«, erklärte der Avatar. »Es ist warm, selbst um diese Jahreszeit. Er möchte dort oben unter den gleichen

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