Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition)
wurde im September 2008 ins Parlament gewählt. Das ist insofern erstaunlich, als ja in der ganzen Welt die sozialdemokratischen Spaßvögel auf dem absteigenden Ast sind. Für die Spaßexklave Hongkong gilt diese Gesetzmäßigkeit offenbar nicht.
Wong Yuk-man nutzte auch sogleich seinen Sitz im Legislative Council, um ordentlich Klamauk zu machen. Bei der jährlichen Regierungsansprache des Hongkonger Regierungschefs, Chief Executive Donald Tsang, feuerte Mad Dog ein ganzes Bündel Bananen Richtung Rednerpult. Diese Munition hatte ihm Long Hair geliefert. Richtig lustig soll das politische Leben in Hongkong aber erst 2020 werden. Dann wird, so hat es unser Nationaler Volkskongress in Peking beschlossen, das Hongkonger Parlament direkt gewählt. Wahrscheinlich wird es nach den Wahlen vor verrückten Hunden aus allen Nähten platzen.
Long Hair und Mad Dog sind auch auf der Straße anzutreffen, mindestens einmal die Woche. Dort halten sie feurige Reden, zünden Reifen an oder treiben sonstigen Schabernack. Dabei werden sie immer wieder von großen Teilen der Hongkonger Bevölkerung unterstützt, denn die Hongkonger sind leidenschaftliche Demonstrierer. Jeden Tag finden in Spaßchina Demonstrationen statt, und in der Innenstadt nicht auf irgendwelche Protestierer zu treffen, ist nahezu unmöglich. Zum Beispiel gingen im Dezember 2008 die Bewohner von Discovery Bay auf der zu Hongkong gehörenden Insel Lantau gegen die Erhöhung der Fährfahrpreise auf die Straße. Gleichzeitig blockierten Taxifahrer aus Protest gegen eine ungerechte Taxitarifregelung mit ihren Autos stundenlang die Autobahn zum Flughafen, während sich auf Initiative der Alliance of the Lehman Brothers Victims mehr als tausend Kleinanleger vor verschiedenen Hongkonger Banken versammelten, um sich über den Verlust ihres Geldes zu beklagen. Täglich demonstrieren Anhänger der Falun-Gong-Sekte in der Stadt, weil sie das nur hier dürfen. Am 13. Dezember 2008 hielt dann die schwullesbische Gemeinschaft ihre erste Gay Pride Parade in Hongkong ab. Wieso bisher immer noch kein Karneval und keine Love Parade durch die Stadt getobt sind, ist unverständlich, aber das kommt sicher in den nächsten Jahren noch.
Apropos Love Parade: Zur Unterhaltung in Spaßchina tragen sicher Hongkongs Schauspieler und Schauspielerinnen viel bei oder, konkreter, das Liebesleben dieses Personenkreises und die sonstigen Skandale. Dabei handelt es sich bei den meisten dieser Schauspielerinnen und Schauspieler gar nicht um echte Schauspieler, sondern um Schauspieler, die auch als Sängerinnen oder Sänger auftreten, aber weder schauspielern noch singen können. Doch das verlangt der Hongkonger auch gar nicht. Er ist schon zufrieden, wenn sich seine «Schauspieler» ordentlich danebenbenehmen, und das am besten ohne Unterbrechung. Den Gefallen tun ihm die Sänger-Schauspieler gerne. Und so liest man jeden Tag in der Zeitung, dass sich ein Schauspieler betrunken und die Ehe gebrochen hat, während ein anderer in der Disco kotzte und dann eine blutjunge Studentin küsste, worauf seine Frau drei Stunden später die Trennung bekannt gab, um mit dem erstgenannten Ehebrecher-Schauspieler zusammenzuziehen. Zugegeben: So etwas passiert auch im Rest der Welt, doch da sind die Skandalumwitterten auch echte Stars, die wirklich berühmt sind. In Hongkong handelt es sich jedoch um Menschen, die außerhalb des Spezialterritoriums (und manchmal auch Chinas) jederzeit auf die Straße gehen können, ohne dass ein einziger Mensch sie erkennt.
Edison Chen ist zum Beispiel ein solcher Hongkonger Prominenter, der zwar auf Bühne und Leinwand bisher eher dilettierte, dafür aber praktisch das ganze Jahr 2008 hindurch mit einem Skandal begeisterte, der als «Sex-Photo-Gate» in die Stadtgeschichte eingegangen ist. Dieser Superskandal begann im Januar 2008, als plötzlich im Internet Hunderte von Fotos auftauchten, die Chen und eine ganze Reihe verschiedener Frauen mal nur nackt, mal höchst explizit beim Sex zeigten. Zur großen Freude der Hongkonger waren das aber nicht irgendwelche Frauen, sondern Cecilia, Bobo, Rachel, Gillian und Vincy, allesamt Angehörige der Crème de la Crème des Hongkonger VIP-Adels.
In den folgenden Monaten tat Edison Chen sein Bestes, um den Skandal am Kochen zu halten. Zunächst einmal leugnete er steif und fest, auf den Bildern abgebildet zu sein, obwohl es darüber keinen Zweifel geben konnte. Aber Chen blieb dabei, dass es sich um Computermanipulationen
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