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Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition)

Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition)

Titel: Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Y. Schmidt
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herrscht eine ähnliche Fehde wie zwischen New York und Washington, Bombay und Delhi, München und Berlin oder Bielefeld und Gütersloh. Nur ist die Abscheu voreinander größer. Vollkommen zu Recht: Die Shanghaier sind nämlich elende Protzer, die nichts unversucht lassen, um uns Pekinger zu übertreffen. So haben sie mit 18,58 Millionen Einwohnern (2007) die größere Stadt gebaut, nur um Peking (16,33 Millionen) mickriger wirken zu lassen. In ihre Stadt haben sie das Shanghai World Financial Centre gestellt. Das musste natürlich gleich der höchste Wolkenkratzer Chinas sein und das zweithöchste Hochhaus der Welt. Obwohl der Turm aussieht wie ein vierhundertzweiundneunzig Meter hoher Flaschenöffner, sind die Shanghaier mächtig stolz darauf. Unseren schicken, aber nur zweihundertvierunddreißig Meter hohen CCTV-Tower (von Rem Kohlhaas! Von Rem Kohlhaas! Von Rem Kohlhaas!) beleidigen sie dagegen als da kucha, große Unterhose. Außerdem geben diese Angeber mehr Geld in Restaurants aus (45,22 Milliarden Yuan im Jahr 2006) als unsereiner (36,24 Milliarden). Und dann wohnt bei ihnen noch mit Wei Hui – das ist die Autorin von «Shanghai Baby» und «Marrying Buddha» – die wahrscheinlich einfältigste und eitelste Schriftstellerin Chinas, eventuell aber auch der ganzen Welt.
Die fünf dümmsten Sätze aus Wei Huis Roman «Marrying Buddha»:
«In dieser Superküche war ich eine Superfrucht.»
«Der riesige Kühlschrank sprang ins Auge.»
«Neunundzwanzig ist wirklich ein scheußliches Alter. Du weißt nicht, ob du immer noch ein Mädchen bist oder schon eine Frau.»
«Wir hatten eine ungewöhnliche Diskussion über die religiösen Ansichten von Dostojewskij und Hermann Hesse.»
«Ich habe gehört, dass neunzig Prozent aller Dichter natürlich begabt zum Geldverdienen sind; sie haben bloß keine Lust, es auszuprobieren.»
    Dabei sind die Shanghaier natürlich nur eifersüchtig auf unsere prächtige Hauptstadt. Deshalb versuchen sie uns zu kopieren, wo immer es nur geht. Weil wir 2008 in Peking phantastische Olympische Spiele abgehalten haben, müssen die Shanghaier mit einer Weltausstellung nachziehen. Die wird am 1. Mai 2010 eröffnet werden und soll unter dem Motto «Better City, Better Life» stehen. Gemeint ist natürlich: besser als Peking. Selbstverständlich wird in Shanghai auch das erste Disneyland Festlandchinas gebaut, das 2015 seine Tore öffnen soll. Okay, das ist dieser Micky-Maus-Stadt schon angemessener.
     
    Diese ganzen Fakten und Zahlen sprechen sicher schon für sich, das heißt gegen die Shanghaier. Aber es gibt Sachen, die man aufgrund von bloßem Datenmaterial nicht wissen kann. Beispielsweise halten die Pekinger speziell die Shanghaier Männer für Weicheier, die weibisch daherparlieren und nach der Arbeit ihrer Frau was kochen, statt mit den Kumpels Bier zu trinken. Obendrein seien sämtliche Shanghaier derart kleinkariert, dass man in ihrer komischen Stadt Obst und Gemüse sogar grammweise erwerben könne (in Peking kauft man nur per Pfund); auch seien sie enorm geschäftstüchtig und geizig. «Für einen Liter Milch», erzählte mir meine Chinesischlehrerin, «fahren sie durch die ganze Stadt, um die Preise in den Supermärkten zu vergleichen.» Was andererseits die Shanghaier über uns Pekinger so denken, entspricht ungefähr den an mich gerichteten Beschimpfungen. Außerdem behaupten die Shanghaier, die schöneren Frauen zu haben. Mag sein, antworten die Pekinger. Dafür sind diese hochmütig, frigide und trauen sich, anders als die Pekingerinnen, nicht, auf der Straße Männer anzusprechen.
     
    Weil ich aber nur das glaube, wovon ich mir selbst ein falsches Bild gemacht habe, fuhr ich neulich in die Stadt des Feindes. Als Erstes traf ich dort einen alten Freund. Der ist zwar kein geborener Shanghaier, noch nicht einmal Chinese. Er musste aber wissen, was an den beiden Städten dran ist, hatte er doch sowohl hier als auch dort gelebt. «Mensch, Ypsilon», rief er, als er mich sah, «du lebst noch? Ich bin so froh, dass ich es heil zurück in die Zivilisation geschafft habe.» Dann erzählte er mir, wie er aus dem schönen Peking nach nur ein paar Monaten Hals über Kopf wieder geflohen war. Zunächst hatte ihn sein Arbeitgeber um den ganzen Lohn betrogen, und am Ende hatte man ihn komplett ausgeraubt, nachts im Schlaf, in der eigenen Wohnung. Zugegeben, das passiert von Zeit zu Zeit in Peking. Ich fand es aber lächerlich, wegen solcher Lappalien gleich so überzureagieren. Ein

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