Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition)
handele. Als schließlich herauskam, dass er sein Laptop (pinkfarben!) zur Reparatur gegeben hatte, obwohl darauf Tausende der expliziten Fotos gespeichert waren, gab er eine Pressekonferenz, auf der er nicht nur zugab, der nackte Mann zu sein, sondern auch die Fotos selbst gemacht zu haben. Zugleich versprach er theatralisch, sich zur Strafe für diese Verfehlung für alle Zeiten aus dem Hongkonger Showbusiness zurückzuziehen. Das ist nun vollkommen unverständlich, denn die Hongkonger amüsierten sich wohl während der «Sex-Photo-Gate»-Monate so prächtig wie noch nie, zumindest seit den Feierlichkeiten anlässlich der Rückgabe des Territoriums an China.
Es gibt natürlich auch noch viele andere Späße, denen sich die Hongkonger in ihrem kleinen Reservat hingeben: Golf und Tennis spielen, Fahrstühle fünfmal am Tag durchdesinfizieren, die Bürgersteige bohnern, Minibusse abfackeln und mit Säure gefüllte Plastikflaschen von Hochhausdächern auf Passanten schmeißen (Triaden!), Ketamin nehmen (Schüler), ellenlange Leserbriefe an die Zeitungen schreiben, auf Pferde wetten, uralt werden (Hongkong hat eine der höchsten Lebenserwartungen in der Welt), einkaufen gehen und ununterbrochen essen. Doch die Hauptamüsements sind zweifellos Rumdemokratisieren, Demonstrieren und Sich-nackig-Machen.
Das ist mir auf Dauer dann doch ein bisschen zu eintönig. Demonstriert habe ich schon als Jugendlicher mehr als genug. Ich trug sogar «Long Hair»-mäßige Haare. Und um mich in der Öffentlichkeit auszuziehen, ist mein Körper schon ein bisschen zu verwittert. Also halte ich mich in der Regel nur so lange in Hongkong auf, bis ich vom ganzen Spaß genug habe, und fliege dann auf schnellstem Wege zurück ins echte China. Wenn ich allerdings nur etwas jünger wäre, so würde ich wahrscheinlich doch meinen chinesischen Dauerwohnsitz in Hongkong nehmen und hier Schauspieler-Politiker oder so was werden. Da ich inzwischen weiß, wie der Laden funktioniert, wäre ich sicher bald ein gemachter Mann.
III Mittelstufe
14 Alles Fotzen außer Peking
Wer aus den uninteressanteren Gefilden dieser Welt nach Peking kommt, um hier zu wohnen, dem kann es so wie mir passieren, dass er von dem hiesigen Menschenschlag zunächst nicht sehr begeistert ist. Wer hier aber nur ein bisschen länger lebt, sagen wir für ein paar Monate, der wird wahrscheinlich eines Morgens aufwachen, aus dem Fenster sehen und plötzlich wissen: Ich liebe diese Stadt. So war es jedenfalls bei mir. Es muss aber auch anderen so gegangen sein. Sonst hätte mir dieser Stimmungswechsel wohl kaum von einer alten Pekinghäsin prophezeit werden können. Man wird mit der Zeit zum Pekinger. Und als Pekinger sieht man die Welt einfach mit anderen Augen an.
Die Pekingerinnen beispielsweise. Ich liebe sie, nicht bloß, weil sie in diesen bunten, ordinären Sachen herumlaufen, die im Sommer die Brüste kaum verdecken, und nackt auf die Straße gingen, wenn das nicht doch zu verboten wäre. Ich bin mit der Zeit auch ein großer Fan des Zickentheaters geworden, das sie abends auf den Straßen aufführen: Da bleiben sie einfach stehen, machen schnell mal mit ihrem Mann Schluss, laufen schnuteziehend weg, kommen nach drei Minuten wieder, schlagen dem Mann richtig gemein auf den Oberarm und sagen: «Du bist schuld an allem.» Dann haken sie sich wieder bei ihm ein, als sei nichts gewesen. Ein schönes Schauspiel, vor allem, wenn die Frau sich zwischendurch vor Wut den Mantel vom Leib reißt und darunter nichts trägt als rote, mit japanischen Comicfiguren bedruckte Unterwäsche.
Aber auch die solcherart gezwiebelten Männer liebe ich. Mir würde etwas fehlen, wäre plötzlich keiner mehr da, der spucken, sich in der Sonne räkeln, den nackten Bauch streicheln und Maulaffen feilhalten würde. Sie lassen sich aber auch immerzu etwas Neues einfallen. In meinem Wohnblock fährt neuerdings einer mit dem Fahrstuhl rauf und runter, weil so das Rauchen viel mehr Spaß macht. Andere radeln mit Vogelkäfigen durch die Stadt. Später halten sie an einem schönen Platz, hängen die Käfige in einen Baum, setzen sich darunter und trinken mit anderen Vogelbesitzern Bier, während ihre Vögel vergnügt dazu zwitschern. Es gibt auch welche, die haben die Vögel so abgerichtet, dass sie sie frei herumfliegen lassen können. Auf Zuruf fliegen die Vögel auf den Arm des Besitzers oder sogar freiwillig in ihren Käfig zurück.
Dann sind da noch die Alten und die kleinen Kinder. Die
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