Blind Date mit Folgen - Roman
die Zollikerstraße entlang in Richtung Zürich bewegte. In einer Stunde musste er sich auf den Weg in die Klinik machen, denn er war für die Nachtschicht eingetragen, wie so oft in letzter Zeit. Wenn nur nicht alle immer gleichzeitig ausfallen würden! Schon wegen eines leichten Zuckens im rechten Ohrläppchen ließen sich seine Kollegen krankschreiben, rannten zum Spezialisten, und er fragte sich immer öfter, ob er eigentlich der Einzige war, der nicht ständig nur herumjammerte und sich den ganzen Tag leid tat. Er hasste diese elenden Hypochonder!
Sven neigte sich in seinem schweren Ledersessel nach vorn bis ihm die Tischkante in den Bauch drückte und stützte sich mit den Ellbogen auf der kühlen Steinplatte ab. Er inhalierte tief. In dieser Stellung fiel ihm das Denken leichter.
Maira hatte also vor, einen Mann zu treffen. In einem Hotelzimmer. Im Dunkeln. Er konnte es kaum glauben. Maira, seine Maira. Aber das war bei Weitem nicht das Schlimmste. Noch viel härter traf ihn, dass sie mit so viel Begeisterung von diesem FEUER33 erzählt hatte. Sie klang wie ein verliebtes Mädchen. Wie aufgeregt sie war. Das gab es doch gar nicht. Ein dunkles Hotelzimmer. Sie würden auf dem Bett liegen und …
Sein Magen fühlte sich plötzlich mulmig an und um ihn herum drehte sich alles. Mit verzerrtem Gesicht rannte er ins Bad, um sich zu übergeben.
Nachdem er sich den Mund ausgespült hatte, starrte er sein Spiegelbild an. Trotz des grellen Lichts im Badezimmer wirkte er äußerlich normal, nur sein zerzauster Blondschopf und der irre Blick verrieten, wie es wirklich um ihn stand. Seine Pupillen hatten wieder einmal die kritische Größe erreicht, mit der seine Augen rabenschwarz funkelten. Er brauchte Koks. Das weiße Pulver half ihm dabei, Zusammenhänge kristallklar zu sehen und Dinge zu tun, die er sich sonst nie zutrauen würde. Außerdem wirkte es wie ein Ego-Booster und den benötigte er nach diesen Neuigkeiten dringend. Er fragte sich manchmal, warum nicht mehr Menschen koksten. Wahrscheinlich waren sie zu feige dazu. Die Welt war voll von Zauderern, die sich zwar ständig über ihr Dasein beklagten, ihr Leben trotzdem nicht zu ändern versuchten. Deshalb kamen sie gar nie in Kontakt mit der Droge. Denn wenn man einmal wusste, wie es sich anfühlte, wollte man es immer wieder haben. Selbst bei ihm hatte es sich so tief ins Gehirn gefressen, dass er den Gedanken daran nie mehr loswurde. Wie oft schon hatte er das erste Mal verflucht. Und wie oft war er beim Herunterkommen dann matt und verstimmt gewesen. Es spielte keine Rolle. Er dachte sogar daran, es Maira anzubieten und sie an diesem Glücksgefühl teilhaben zu lassen, bei ihren Depri-Phasen würde das nicht schaden. Aber er befürchtete, dass sie ihn für seinen Drogenkonsum verurteilen würde. Außerdem bescherte einem das Koks einen unbändigen Drang sich mitzuteilen und alles, was man an Sprechblasen absonderte, kam einem intellektuell grandios vor. Darum sollten Frauen das Koksen lieber sein lassen.
Er öffnete die Schublade unter dem Waschbecken und entnahm ihr die kleine Schatulle mit dem goldenen Inhalt. Mit geübten Bewegungen präparierte er zwei feine Linien auf einem kleinen Spiegel, zog sie scharf ein und wischte sich die Restspuren von der Nase. Innerhalb von Sekunden wurde er vom Kick überwältigt. Immer dieselbe Wirkung.
Sven nahm wahr, dass er nach Schweiß roch und zog sein Hemd aus. Er warf es in den Waschkorb und holte ein frisches hervor. Er brauchte nicht zu grübeln welches, sie waren alle maßgeschneidert und schwarz. Seine ganze Garderobe war schwarz. Er zog das Hemd an, ohne es zuzuknöpfen und besah sich in der Spiegeltür. Er war das Gegenteil der Drogensüchtigen, wie er sie zu Dutzenden untersucht und ihnen den erlösenden Schuss Heroin gespritzt hatte, damals, als er als Assistenzarzt im Gassenzimmer beim Kantonsspital Basel diese verhasste Arbeit ausgeübt hatte. Und erst noch freiwillig!
Aber in Mairas Augen tat er etwas Gutes, und das war der Grund gewesen, warum er sich für den Scheißjob zur Verfügung stellte. Er verzehrte sich nach ihrer Bewunderung. Und als er bei seinen Erzählungen über die schwierige und nervenaufreibende Arbeit mit den Drogensüchtigen etwas wie Stolz und Anerkennung in ihren Augen sah, hatte er gewusst, dass er das Richtige tat. Dass es ihm dabei jede Minute gegraust hatte, damit konnte er leben. Nur die Harten kamen in den Garten.
Sven ging wieder in den Wohnbereich, drückte die
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