Blind Date mit Folgen - Roman
kaum auf sie einging – er musste in der Klinik wohl gerade wieder stressige Nachtschichten schieben –, hatte sie ihm die Details erspart und eine Lagebesprechung ausgelassen. Die nächsten Tage war sie stets unterwegs gewesen und konnte ihn deshalb nicht mehr nach seiner Meinung zu ihrem bevorstehenden Abenteuer fragen. Vor ihrer Abfahrt von Esslingen hatte sie ihm gesimst und versprochen, ihm später über alles Bericht zu erstatten.
Sie blickte auf ihre Armbanduhr: 20 Uhr. Maira besah zum x-ten Mal ihr Spiegelbild im Schaufenster und fand, dass das Kleid ihr gut stand. Nachdem sie gestern ihre gesamte Garderobe dreimal durchgegangen war, hatte sie sich für das kleine Schwarze entschieden. Damit konnte Frau nie falsch liegen. Kein zu tiefes Dekolleté, aber tief genug, und nicht zu eng, dennoch figurbetont. Ihre schlanken Beine kamen bestens zur Geltung und die Problemzonen um die Hüften waren gut kaschiert. Dazu trug sie schwarze High Heels, die zwar sexy aussahen, in denen sie aber maximal noch den Weg über die Straße und dann rauf ins Zimmer zurücklegen konnte, bevor sie die verfluchten Treter in eine Ecke schmeißen würde. Ihre Füße brannten höllisch seit sie aus ihrem Wagen gestiegen und zum Hotel gestöckelt war und an ihren Zehen bildeten sich langsam böse Blasen wegen der blöden Riemchen. Wenn es sein musste, würde sie den Weg zurück barfuß gehen. Sie verwünschte die Flipflops, in denen sie den ganzen Sommer über herumschlurfte, kein Wunder war sie beim Tragen von eleganten Schuhen völlig aus der Übung.
Maira fuhr sich abermals durch das Haar. Sie wurde nicht schöner, wenn sie sich noch länger anstarrte, sie würde höchstens zu spät kommen. Und wofür denn bitte gut aussehen in der absoluten Dunkelheit? Maira lachte in sich hinein. Sie drehte sich um, überquerte die Straße und zwang sich mit zusammengebissenen Zähnen zu einem aufrechten, damenhaften Gang, als sie zum Hotel zurückschritt.
Am Eingang wurde sie von einem groß gewachsenen Portier begrüßt, der ihr höflich die Tür aufhielt.
»Ich wünsche der Dame einen angenehmen Abend«, lächelte er mit blendend weißen Zähnen. Es erinnerte sie an eine Zahnpasta-Werbung im Fernsehen. Der Mann sah sie aufmerksam an und sie fragte sich, ob ihr etwa ein Haar schräg abstand oder etwas in ihrem Gesicht klebte, das sie im Schaufenster übersehen hatte. Er tippte sie leicht am Arm und erkundigte sich mit väterlicher Stimme, ob es ihr gut ginge. Machte sie einen so fertigen Eindruck?
»Ja, danke«, erwiderte sie und setzte ihr strahlendstes Lächeln auf, »alles bestens.« Sie huschte durch die Glastür. Was war denn los? Es stand doch nicht ›Blind Date‹ auf ihrer Stirn! Relax, Maira. Sie betrat die Hotellobby. Links lag der Aufzug. Den würde sie gleich betreten, vorher ging sie aber noch ein paar Schritte zwischen den Säulen durch, um die prachtvolle Hotelhalle in Augenschein zu nehmen. Ihr Blick wurde angezogen von der Glaskuppel in der Decke, durch welche die Abenddämmerung drang und die Lounge in ein zartes, majestätisches Ambiente tauchte. Es sah wunderschön aus.
Die Rezeption befand sich in einer Nische auf der rechten Seite, aber die brauchte sie ja nicht, da sie die Zimmernummer kannte. Sie schritt zurück zum Aufzug und fuhr in die zweite Etage. Maira stieg aus und stand in einem langen Gang, die Tapeten glänzten in satiniertem Rosé. Sie war allein. Es fröstelte sie und in ihrem Magen waren noch zwei Sahneschnitten extra hinzugekommen. Sie nahm ihr Handy aus der Tasche und tippte die abgemachte SMS.
Hi, Hübsche,
alles bestens. Bin gut im Hotel
angekommen und werde jetzt aufs
Zimmer gehen. Wünsch mir Glück.
Ich meld mich dann wieder.
M.
Sie wartete einen Moment und schon kam die Antwort.
Okay, Bella.
Meld dich nach einer
Weile aus dem Zimmer.
Have fun. :-)
Kuss
Zögernd setzte sich Maira in Bewegung. Ihre Schuhe glitten lautlos über den dunkelroten Teppich, als würde sie schweben. Trotzdem erschien ihr der Korridor unendlich. Und dass sie nicht schwebte, daran erinnerten ihre schmerzenden, roten Zehen und die brennenden Fußballen. Hier lag Zimmer 201, 215 würde gleich kommen. Sie musste wieder heftig husten. Ihr wurde wirklich nichts geschenkt!
Würde er sie an der Tür begrüßen?
Wie sollte sie sich vorstellen?
›Hallo, ich bin also SECRETS‹ … oder sollte sie ihren richtigen Namen nennen?
Nein, besser nicht.
Und wie lange sollte sie bleiben? 205. Sie
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